Dienstag, 1. Dezember 2020

Auf der Jagd

Er war auf der Jagd. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Sein Atem gefror in der klaren Nachtluft. Der Vollmond erhellte den Wald. Vor wenigen Minuten hatte er die Witterung aufgenommen, nun folgte er den Spuren, die seine Beute hinterlassen hatte. Zerbrochene Zweige, zertretenes Moos. Keine Herausforderung für einen erfahrenen Jäger. Als er auf die Lichtung trat, atmete er tief ein. Der Geruch war nun ganz nah. Eine Mischung aus Angst und Erschöpfung. Er drehte leicht den Kopf und spannte jeden Muskel. Sein Opfer kauerte sich in den Schatten eines Baums und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Langsam erhob er sich und ließ ein leises Knurren hören. Dann blickte er zum Mond und stieß ein lautes Heulen aus.

Das Heulen war markerschütternd. Verzweifelt krallten sich seine Finger in die Borke des Baumstamms. Was da vor ihm auf der Lichtung stand, schien einem Alptraum entsprungen. Aber die eisige Luft und das helle Mondlicht erinnerten ihn daran, dass er hellwach war. Er nahm allen Mut zusammen und ließ sich nach hinten fallen. Sprang auf und rannte in die Dunkelheit. Weg von dem Heulen, von den Klauen und den Zähnen. Keuchend hetzte er durch das Unterholz. Äste schlugen ihm ins Gesicht, zerrissen seine Kleidung. Sein Atem gefror in der klaren Nachtluft. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Er war auf der Flucht.