Donnerstag, 3. Januar 2008

Herzensangelegenheiten

Das ist doch..? Nein, das ist nicht Pete Doherty, sondern Schauspieler Sam Riley, der in Anton Corbijns Joy Division-Biografie "Control" deren Sänger Ian Curtis verkörpert. Eigentlich ein geschickter Schachzug vom grimmigen Niederländer - passt also zu seinem Faible für Schwarz und Weiß. Denn alles, was nach Doherty aussieht, zieht die Blicke auf sich. Manchmal gar die von musikinteressierten Menschen, immer jedoch die von jenen, die beim "Stern"-Lesen im Wartezimmer ihres Zahnarztes alles überblättern, was mit Politik zu tun hat.

Der Immer-mal-wieder-Bettgenosse von Magermodel Kate Moss ist natürlich längst auch Nichteingeweihten ein Begriff. Erfahren sie allerdings, was dieser aschfahle, schweißglänzende Brite beruflich macht, reagieren sie häufig überrascht.

Tatsächlich: Irgendwo hinter der schief im Mundwinkel hängenden Fluppe und unter dem zerknautschten Hut scheinen sich die Resthirn-Rudimente von Proll-Peterle daran zu erinnern, was jener in seiner nicht allzu lange zurückliegenden Jugend in den CD-Wechsler drückte (sic!). Ein bisschen Clash, etwas Brit-Pop, das Ganze eher unbeholfen arrangiert - fertig ist die Musik, mit der zunächst die Libertines, später die Babyshambles ihre fanatischen Anhänger beglückten. So richtig spannend ist das leider nicht, dafür mit jenem Charme gesegnet, der auch Heimvideo-Fernsehsendungen zu eigen ist. Irgendwas ist immer, am schweren Unfall auf der Autobahn fahren wir ja ebenfalls mit weitaufgerissenen Augen vorbei. Objektiv betrachtet macht uns das zu moralisch fragwürdigen Zeugen des Verfalls. Denn immerhin sehen wir einem Mittzwanziger beim Sterben zu.

Dohertys weibliches Gegenstück heißt Amy Winehouse. Auch sie verfügt über optische Attribute von hohem Wiedererkennungswert (Marge-Simpson-Frisur, schlechte Tattoos), und wie der angebliche Gralshüter des britischen Rock ist ihr Talent allenfalls überschaubar. Nicht ohne Grund erwähnt jeder Kritiker, der die Stimme der sinistren Nachwuchsdiva lobt, direkt danach ihre Hautfarbe. Wenn sich ein weißes Mittelschicht-Hühnchen redlich müht, wie ihre schwarzen Vorbilder aus Papis Plattensammlung zu klingen, verschafft ihr das eine Art umgekehrten Exotenbonus. Oder um es mit Volker Pispers zu sagen: Wenn "besser als erwartet" ein Bewertungskriterium wird, melde ich mich bei der Tour de France an.

Alles in allem sollte den beiden verlebten Vertretern durchschnittlich interpretierter Rock- und Soul-Musik jedoch unser Mitleid sicher sein. Ian Curtis war Anfang 20, als er aus dem Leben schied.