Montag, 22. März 2021

Im Labor

Viele grübeln ja gerade darüber nach, welcher Impfstoff der beste ist. Ich hab mich per Drohne mal bei den großen Herstellern in aller Welt umgeschaut.

Biontech-Pfizer, High-Tech-Labor in Marburg/Deutschland. Zwei attraktive Menschen verschiedenen Geschlechts in strahlend sauberen Kitteln stehen vor dem dreidimensionalen Hologramm eines Erlenmeyerkolbens und bedienen mit virtuellem Handschuh und entsprechender Brille einen animierten Bunsenbrenner. "... und wenn unsere Berechnungen stimmen, hilft das Vakzin auch gegen Fernweh." "Na, das wird ja bald kaum noch nötig sein. Wenn wir erst die Welt gerettet haben, darf man ja wieder reisen." "Auch wieder wahr. Apropos: Sehen wir uns am Samstag am Kronensee?" "Wenn du bei der Regatta wieder nur Zweiter werden möchtest..."

AstraZeneca, Marketing-Abteilung in Södertälje/Schweden. Ein halbes Dutzend Männer mittleren Alters in dunklen Anzügen und mit gelockerten Krawatten sitzt an einem langen Marmortisch. Einige weinen, manche trinken harten Alkohol aus Flaschen. Einer von ihnen blickt von einem zerwühlten Häufchen Kokain auf: "Wissen wir denn schon, wer damit an die Öffentlichkeit gegangen ist?" Ein anderer starrt sehnsuchtsvoll aus dem geöffneten Fenster auf den Betonboden in der Tiefe: "Es stand im Beipackzettel. Die Nerds sagen, das muss so." Ein dritter springt auf, sein Designerstuhl fällt um: "Das muss so?! Das MUSS so..?"

Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau/Russland. In einem leicht heruntergekommenen Labor sitzen zwei Männer auf wackeligen Hockern. Sie tragen ergraute Kittel und Cordhosen in verwaschenem Graubraun. Ihre Frisuren stammen aus den 70er Jahren, dasselbe gilt für ihre Backenbärte und die Laborausstattung. "Wer hat die aktuelle Lieferung überprüft, Genosse?", fragt der eine, während er versucht, mit einem dreckigen Geschirrtuch ein gesplittertes Reagenzglas zu reinigen. "Dimitri", antwortet der andere, der gerade das Kassengestell seiner riesigen Hornbrille mit einem Heftpflaster repariert. "Wo hat Dimitri eigentlich vorher gearbeitet?", will sein Gesprächspartner wissen. "Ach, in irgendeinem Atomkraftwerk. Ich glaube, in..."

Johnson & Johnson, Tennessee/Vereinigte Staaten von Amerika. Ein dickbauchiger Hüne wuchtet ein ebensolches Holzfass auf einen Pickup. Sein Kollege spuckt etwas Kautabak übers Gatter und kratzt sich den zerrupften Vollbart. Beide tragen blaue Latzhosen, Cowboy-Stiefel und Baseball-Kappen mit der Aufschrift "J&J - make Corona small again". "Alright, Partner, wieder eine Fuhre fertig", sagt der Große. "Dann sieh zu, dass du das Zeug in die Stadt karrst", antwortet der Bärtige. "Die warten da schon drauf..."

Samstag, 13. März 2021

In der Realität

Und wenn er abends vom Homeoffice ins Wohnzimmer taumelt und ein Wurstbrot isst, das so langweilig ist wie in der Kurzgeschichte von Wiglaf Droste, und immer wieder die gleichen vier Apps auf dem Smartphone aktualisiert und wieder mal viel zu viel denkt und schließlich den Kopf mit irgendeiner Streaming-Serie betäubt, dann denkt er: "Verdammt. Ich wünschte, das hier wäre Fiktion."