Dienstag, 21. Mai 2013

Mein Dogma (II)

Ein Konzert (oder eine vergleichbare Veranstaltung) ist eine verhältnismäßig schlichte Angelegenheit. Nur wenige ungeschriebene Regeln sind zu befolgen, damit sie zu einem Spaß für alle Beteiligten wird. Eine davon lautet: Die auf der Bühne machen Musik (um bei diesem Beispiel zu bleiben), die davor haben eine gute Zeit.

Es bleibt natürlich jedem selbst überlassen, "gut" zu definieren. Da aber Freiheit immer die Freiheit des weiter hinten Stehenden ist, ist es äußerst wichtig, geradezu unerlässlich, sich an eine weitere Regel zu halten. Sie lautet: Niemals, unter keinen Umständen den Engelhardt ärgern.

Zugegeben: Diese Grundregel zu missachten, ist relativ einfach - zumindest im Alltag. Während eines Konzerts genügt dazu sogar eine einzige Bewegung. Nämlich ein Griff in die Tasche, zum Mobiltelefon, um dieses vor sich zu halten.

Ich hasse es mit jeder Faser meines Seins, Konzerte durch hunderte winziger Monitore zu verfolgen. Ich bin nicht Brundlefly, also will ich meine Umwelt nicht wie durch Facettenaugen wahrnehmen. Und dabei habe ich an dieser Stelle noch kein Wort darüber verloren, wie erbärmlich die unscharfen Fotos und verwackelten Filmchen sind, mit denen die Smartphone-Salutierer nach der Veranstaltung ihre Fratzenbuch-"Freunde" oder gar den Rest der Online-Welt belästigen.

Anders ausgedrückt: Zieht ein Konzertbesucher sein Handy, löst das in mir Brechreiz aus. Handgelenke, zum Beispiel, oder Unterkiefer oder auch gern mal ein Genick.

Freitag, 10. Mai 2013

Herzensangelegenheiten

Manchmal ist die Musik im Kopf ein durchdringendes Dröhnen. Und manchmal ist das besser so.

Die Welt ist groß und bunt, die Welt der Musik sogar noch farbenfroher. Es gibt Soundtracks für jeden Anlass und für jede Stimmung. Die abendliche Heimfahrt wird von anderen Liedern untermalt als das nächtliche Grübeln. Der Alptraum hat einen anderen Soundtrack als das Zähneputzen. Auf der Arbeit läuft nicht die gleiche Musik durchs Hirn wie in der Oberstadtkneipe. Und dann plötzlich herrscht Stille, und die Stille ist gefährlich.

"Ihr müsst leise sein, um lauter sein zu können", lautete der Rat an Ian MacKaye, bevor er Fugazi gründete. Das stimmt und ist nicht immer einfach. Denn der Lärm, der auf die Ruhe folgt, ist häufig unerträglich.

Da hilft nur: ausschalten. Den Soundtrack. Die Lieder. Den Kopf. Zurück bleibt ein angenehm dumpfer Grundton, der das Denken verhindert. Die Welt ist bunt und groß.

Manchmal vergisst man das.

(Mehr Gedanken dazu.
 Noch mehr Gedanken dazu.
 Und noch mehr Gedanken dazu.)

Donnerstag, 9. Mai 2013

Kino-Kritik: "Star Trek Into Darkness"

Ich liebe Kino. Genauer: Ich liebe Hollywood-Kino. Die große Leinwand ist gemacht für spannende Geschichten, packende Bilder, epische Musik - sie ist gemacht für Filme wie "Star Trek Into Darkness".

Als J.J. Abrams vor vier Jahren antrat, dem recht würdelos verendeten Star Trek-Franchise neues Leben einzuhauchen, spitzten viele Fans skeptisch die angeklebten Ohren. Mindestens ebenso viele waren allerdings beruhigt bis begeistert, nachdem sie das modernisierte, aber eigentlich erste Abenteuer des Raumschiffs Enterprise gesehen hatten. Abrams war das Kunststück gelungen, Neustart und Nacherzählung zugleich abzuliefern, dazu behandelte er die Tradition mit Respekt, hatte altgediente Anhänger ebenso im Blick wie den interessierten Nachwuchs. Sein "Star Trek" war einer der besten Filme der Reihe, in die er streng genommen gar nicht gehört.

Nun endlich setzt er die Story um Captain James T. Kirk (Chris Pine) und seine Crew, allen voran den logikgetriebenen Halb-Vulkanier Spock (Zachary Quinto), fort. Und um es vorwegzunehmen: Wieder hat er alles richtig gemacht.

Einmal mehr müssen sich der rauflustige Weltraum-Cowboy und seine Mannschaft mit der Bürokratie der Sternenflotte und einem scheinbar übermächtigen Gegner herumschlagen. Dieser heiße John Harrison (großartig: Benedict Cumberbatch) und sei ein ehemaliger Agent, erfährt die Besatzung der Enterprise - noch dazu intellektuell und körperlich seinen Kontrahenten überlegen. Um ihn auszuschalten - und Rache für den Tod eines alten Freundes zu nehmen -, ist Kirk zunächst jedes Mittel recht. Was ihn nicht nur in erneute Konflikte mit seinem ersten Offizier bringt, sondern vor allem moralische Fragen aufwirft.

Denn bei aller Action: Den optimistischen, mitunter allerdings etwas moralinsauren Grundtenor von Gene Roddenberrys Sternensaga behält der zwölfte Kinostreifen stets bei. Jedoch nimmt sich Abrams die Freiheit, ihn zu hinterfragen. Und so geht es zwischen dramatischer Spannung und perfekt inszeniertem Spezialeffekte-Gewitter immer auch um große Themen wie Pflicht und Freundschaft, Verantwortung und Tod.

Allein im Prolog passiert so viel, dass es für einen ganzen Film gereicht hätte. Und das ist nur der Auftakt zu einer Odyssee im All, auf fremden und bekannten Planeten, die ihresgleichen sucht und in diesem Jahr vermutlich von keinem anderen Blockbuster überboten werden kann. Die erstklassig zusammengestellten Schauspieler - unter ihnen "Scotty" Simon Pegg als Comedy-Element und "Pille" Karl Urban als Stimme der Vernunft - sind bei ihrem zweiten Einsatz für die Sternenflotte perfekt eingespielt. Jeder bekommt seine große Szene, die den Charakter mit seinen Eigenschaften auf den Punkt bringt. Vor allem Quinto darf zeigen, dass man das vermeintlich so kontrollierte Spitzohr niemals unterschätzen sollte. Sein Spock ist eben zur Hälfte ein durchaus überlegener Außerirdischer. Er folgt den strengen, für Menschen oft nicht nachvollziehbaren Regeln seines Volkes und ist doch innerlich zerrissen, wenn seine humanoide Seite mühsam unterdrückte Emotionen hervorbrechen lässt.

Die Darsteller sind sehr gut - doch "Sherlock" Cumberbatch spielt sie fast an die Wand. Bedrohlicher war ein Filmbösewicht selten, der Brite gibt den Düstermann als souveränen Satan, der die Fäden bis zum Schluss in der Hand behält.

Dazu wimmelt es vor mal mehr, mal weniger subtilen Referenzen an alte Star-Trek-Serienfolgen und -Kinofilme. Bleibt zu hoffen, dass Abrams uns nicht wieder vier Jahre auf eine Fortsetzung warten lässt. (Übrigens: Der Mann kann auch Star Wars - daran besteht nun kein Zweifel mehr.)

Kurz: Wäre ich nicht seit 30 Jahren Trekkie - ich wäre es jetzt.

Macht völlig verdiente zehn von zehn grimmig guckenden Kohlkopf-Aliens!

Sonntag, 5. Mai 2013

Kino-Kritik: "Iron Man 3"

Tony Stark (Robert Downey jr.) hat ein Problem: Seit er mit einer nordischen Gottheit, einem Weltkriegsveteranen, zwei Spionen und einem grünen Monster die Welt vor einer außerirdischen Invasion bewahrt hat, plagen ihn Schlafstörungen und Panikattacken.

Trost findet der bedauernswerte Milliardär nicht in den Armen seiner Freundin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow), sondern in denen seines Alter Ego Iron Man. Nacht für Nacht tüftelt der exzentrische Ex-Playboy in seinem Hitech-Labor an immer neuen Kampfanzügen. Diese kommen zum Einsatz, als ein mysteriöser Besucher aus Starks wenig ruhmreicher Vergangenheit (Guy Pearce) und ein Terrorist mit Fachwissen über Glückskekse (Ben Kingsley) auftauchen. Beide haben Böses im Sinn und den strauchelnden Helden im Visier. Als es schließlich hart auf hart kommt, bleibt das nicht ohne Folgeschäden - für Tonys Kumpels Harold "Happy" Hogan (Jon Favreau) und James "Rhodey" Rhodes (Don Cheadle), aber leider auch für die Logik und manchmal gar die Spannung.

Die Entscheidung, Shane Black statt "Happy"-Darsteller Favreau auf den Regiestuhl zu setzen, schien richtig zu sein. Nach dem etwas unentschlossenen zweiten Teil der Eisenmann-Reihe hätte der Mann hinter "Lethal Weapon", "Last Boy Scout" und "The Long Kiss Goodnight" die Zügel wieder etwas anziehen und in Richtung des Erstlings lenken können. Knackige Action trifft auf bissigen Humor: So lieben die Fans ihren Iron Man - spätestens, seit Downey jr. der Figur seinen Stempel aufgedrückt hat.

Und seien wir fair: Nicht selten blitzt das Talent des neuen Regisseurs auf, macht das Amalgam aus Krawumm und Witz das neue Kinoabenteuer des gepanzerten Rächers durchaus sehenswert. Leider nicht immer. In ihren schwachen Momenten erinnern Inszenierung und Drehbuch bisweilen geradezu an die Handschrift von Christopher Nolan, des am meisten überschätzten Regisseurs der Neuzeit.

Hier bleibt's wie immer spoilerfrei, daher nur soviel: Es gibt mindestens zwei Twists, die der Geschichte und ihrem Protagonisten nicht gut tun. Mehr noch: Was bereits in den Trailern gezeigt wurde, wird dem Film fast zum Verhängnis - irgendwie ist jeder ein bisschen Iron Man. Und jetzt alle: Rein in die Rüstung, raus aus der Rüstung! Was macht Tony Stark da noch zu etwas Besonderem? Schon klar - Mut, Grips und dumme Sprüche. Leider schafft Teil drei der Saga (die im Übrigen mitnichten eine Trilogie ist, auch wenn das Feuilleton das glaubt) es nicht, das auch zu zeigen. Stattdessen wird es im hilflos angeschweißten Epilog einfach behauptet.

Nicht falsch verstehen: "Iron Man 3" gelingt es natürlich nicht, Marvels Kino-Ambitionen an die Wand zu fahren. Aber er bringt den großen Schlachtplan, den die Produzenten ihren Comic-Verfilmungen untergeschoben haben, auch keinen Meter nach vorne. Stattdessen bekommen wir einen umständlich chargierenden Bösewicht, eine Handvoll ungenutzter Chancen, knallige, leicht unübersichtliche Action und immerhin eine kindliche Nebenrolle, die im Gegensatz zum Gros ihrer Vorgänger im Geiste ("Star Trek - Next Generation"! "Jurassic Park"!) nicht nervt.

Tony Stark wird zurückkehren. Dann hoffentlich wieder etwas fokussierter und in alter Frische.

Bis dahin gibt's zweieinhalb von fünf gesplitterten Helmen.