Sonntag, 24. Februar 2013

Mein Dogma (I)

Es gibt eine Menge Tätigkeiten, die man ausschließlich tut. Soll heißen: die ausschließen, dass man sich nebenbei noch mit anderen Dingen beschäftigt. Denkt euch eure eigene Liste - Fakt ist, will man manches richtig machen, sollte man sich darauf konzentrieren.

Nehmen wir mal das weite Feld des (Pop-)Kulturellen: Wenn ich ein Konzert besuche, konzentriere ich mich auf die Musik und darauf, was auf der Bühne passiert. Je nach Stimmung kann es vorkommen, dass ich mich unbewusst zur Musik bewege. (Besser: dass mich die Musik bewegt.) Aber das passiert tatsächlich unbewusst, weil ich mich ja auf das Wichtige einlasse, auf den Moment, eben auf die Musik und die Bühnenshow.

Anderes Beispiel: lesen. Wenn ich ein Buch lese, mache ich nur das. Ich versinke in den Gedanken des Autors, in der Welt, die er geschaffen hat und die nun in meinem Kopf zu finden ist. Der Grund dafür ist der gleiche wie im ersten Fall: Ich habe mich entschieden, mich mit etwas zu beschäftigen. Und da ich glücklicherweise nicht an ADHS leide, ist es mir möglich, mich ganz darauf einzulassen.

Jetzt wird's (endlich) interessant. Denn was lesen und Musik hören angeht, stimmen mir die meisten zu. Ganz anders in Beispiel drei - Filme gucken. Ich gebe relativ viel Geld dafür aus, mich in einen abgewetzten Kinosessel zu setzen und zwei Stunden lang einem Film zu folgen. Aber dann mache ich in 99 Prozent aller Fälle genau das: Ich folge dem Geschehen auf der Leinwand. Ich unterhalte mich nicht. Ich esse nicht. Ich trinke nur im Notfall. Auf dem Klo war ich vor Filmbeginn (das nur der Vollständigkeit halber). Das gilt im Übrigen auch, wenn ich einen Film zu Hause oder bei Freunden sehe - zumindest, wenn er mich interessiert und/oder ich ihn noch nicht gesehen habe.

Der Rest der Weltbevölkerung sieht das komplett anders. Die meisten Kinobesucher gehen ins Kino, um sich endlich mal ausführlich zu unterhalten, um kiloweise Popcorn oder Chips zu mampfen oder das Geschehen auf der Leinwand zu kommentieren. Und um Fragen zu stellen, die sie nicht stellen müssten, wenn sie den Film gucken würden.

Ich bin vermutlich durchschnittlich begabt, schätzungsweise in der Mitte meines Lebens angekommen und habe den Kopf voller Gedanken. Trotzdem schaffe ich es, mal zwei Stunden still zu sein und den Blick nach vorne zu richten. Ich bin sicher: Dann schaffen andere das auch. Einfach mal probieren! Vor dem Film pinkeln gehen, nach dem Film quatschen, und das Essen kann außerhalb des Kinos eingenommen werden.

Vielleicht passiert den einstigen Ignoranten (im Wortsinn) dann etwas, das ich längst kenne. Denn mir gelingt es, zwei Stunden komplett abzutauchen. Das hat ein Kinobesuch gemein mit lesen, einem Konzert oder all den anderen Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, wenn man Spaß daran haben will.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Herzensangelegenheiten

Irgendwann ist er nicht mehr aufgetaucht. Ganz der Papa - nur ohne Hilfsmittel.

Sein bester Song ist eine Coverversion, die er zu etwas eigenem gemacht hat. Fast wie Hendrix - nur ganz anders.

Denn wenn Jeff Buckley gesungen hat, war er die Stimme der Stummen. Ein einziges Studioalbum hat er uns hinterlassen, als er im Wolf River versank. 30 war er da, was eine Aufnahme in den "Club 27" verhindert. Auch ging er nicht mit einem Knall wie Kurt, sondern vermutlich mit einem Gluckern. Vielleicht sind das die Gründe, warum Tim Buckleys ungeliebter Sohn keine Legende wurde, glücklicherweise auch nicht zum Posterboy der Emo-Generation, sondern 16 Jahre nach seinem Tod eher ein Geheimtipp bleibt.

Geht es um sein Vermächtnis "Grace", überschlagen sich Kritiker und Kollegen. Eine so schroffe wie melancholische Liedersammlung ist das, eher ein schwarzes Stück Kohle als ein Rohdiamant. Mit seltsam klerikalen Gesangslinien, oft fragmentarischen Arrangements und Melodien für die Ewigkeit. In den besten Momenten kratzt der Trotz an der Verzweiflung, lassen Gesang und Gitarre beides zersplittern, und übrig bleibt Tristesse. "She was heartache from the moment that you met her", heißt es in "Forget Her", seinem letzten eigenen Lied, das posthum veröffentlicht wurde. Kaum zu glauben, dass er ausgerechnet "Whole Lotta Love" gesungen haben soll, ehe ihn die Bugwelle in die Tiefe riss.

Und dann "Hallelujah", von Leonard Cohen ein Jahrzehnt vor Buckleys Ableben geschrieben. Manchmal findet ein Song seinen Sänger. Es geht um den Glauben, um Liebe und Sex, um große Gefühle, sicher um das Leben und den Tod. "I used to live alone before I knew you." Das flackernde Licht in der Dunkelheit kennen auch Atheisten. Diese knapp sieben Minuten haben es nicht verdient, in jeder dritten Sitcom gespielt zu werden. Sowas hört man zu Hause, zu zweit oder besser noch allein.

Keine Ahnung, wo David Bowie in den vergangenen zehn Jahren gesteckt hat. Sollte er auf einer einsamen Insel gelebt haben, hatte er auf jeden Fall "Grace" dabei. Zumindest hat er das einst angekündigt. Keine Ahnung, wo Jeff Buckley heute ist oder ob er das gehört hat.

Keine Ahnung. Aber er sang und singt von Einsamkeit, von kaputten Träumen und von dem, was niemals sein wird.