Dienstag, 9. September 2014

Herzensangelegenheiten

Manchmal erwischt es einen aus heiterem Himmel. Schlägt in den Hinterkopf ein und bleibt dort eine Weile. Man wird ihn nicht los, den Ohrwurm - oder besser: das Lieblingslied.

Andererseits: Obwohl es sich im Kopf abspielt (im Wortsinn), spielt der eigentlich keine Rolle. Es ist weniger der Verstand, sondern mehr das Herz, das sich mit dem Song beschäftigt. In der Birne drehen wir den Refrain hin und her, die Lippen singen leise den Text mit, aber die Melodie hat unsere Seele im Griff.

Woher der Blitz kommt, ist auch in unserem aufgeklärten Zeitalter übrigens noch völlig unerforscht. Zwar beschäftigen sich Musikwissenschaftler und Psychologen seit Jahrzehnten mit diesem Phänomen, aber Antworten auf diese ohnehin relativ irrelevante Frage haben sie nicht. Nehmen wir doch einfach hin, dass es plötzlich da ist, das Lied. Vielleicht entstammt es einer Erinnerung oder einem Traum, vielleicht lief es irgendwann irgendwo im Hintergrund, und wir haben es gar nicht beachtet. Wichtig ist nur: Es ist da, und es geht erstmal nicht wieder weg.

Glücklich sind jene, bei denen tatsächlich ein neues oder altes Lieblingslied durchs Unterbewusstsein spukt und kein aggressives Melodiemonster aus der Hölle. Dann nämlich frisst sich der Ohrwurm weiter bis in die Eingeweide, wo er bestenfalls Brechreiz auslöst. Bleiben wir also lieber bei der positiven Variante.

"She'll turn her music on you, you won't have to think twice", raunt gerade völlig richtig eine Stimme in mir, die das Feuilleton als "Reibeisenstimme" bezeichnen würde. Ich umgehe mal solche Phrasen aus meiner beruflichen Vergangenheit und umschreibe es lieber: Eine tolle Stimme ist das, von einer Frau, die offenbar gelebt und erlebt hat, sie klingt selbstbewusst, standhaft und sexy. Von Kim Carnes - so heißt die Sängerin - wusste ich bislang nur, dass sie in den 70ern und 80ern als attraktive Blondine galt und streng genommen ein One Hit Wonder ist. "Bette Davis Eyes" hat es auf manche Sammlung von "Rock-Klassikern" (noch ein Begriff aus dem Kulturseiten-Phrasengiftschrank) geschafft, weil das Lied Anfang der 80er ein weltweiter Hit war.

Mir fällt spontan keine Frau ein, deren Augen ich mit denen von Bette Davis vergleichen würde. Trotzdem summe ich die Melodie seit zwei Tagen vor mich hin, und wenn ich allein im Auto sitze, singe ich zumindest den Refrain mit. In Gesellschaft geht das nicht, denn meine Stimme klingt nicht selbstbewusst, standhaft und sexy, sondern scheiße. (Obwohl auch ich gelebt und erlebt habe.)

"She'll take a tumble on you, roll you like you were dice." Gern. Zumindest ein paar Tage lang. Bis es wieder blitzt.