Dienstag, 29. Dezember 2015

Herzensangelegenheiten

"Der hat 'ne ziemlich viehische Stimme!" Das war das Erste, was ich über Ian Frasier Kilmister gehört habe. Mein Kumpel Henner - damals der einzige echte Metal-Fan in meinem Freundeskreis, inklusive Matte, Kutte und guter Laune - empfahl mir als passioniertem Punkrock-Hörer mit diesen Worten, einer schon seinerzeit alten Band aus England eine Chance zu geben. Ich folgte dem Rat. Und hatte eine neue Lieblingsband entdeckt.

Seitdem habe ich alles gekauft, wo "Motörhead" draufstand und/oder Lemmy drin war. Anders als den Headbangern um ihn herum ging es dem Pfarrersohn aus Stoke-on-Trent nie um aufgesetzte Aggression. Seine Wut war ehrlich, ebenso die Melancholie, die in seiner - tatsächlich ziemlich viehischen - Stimme immer zu hören war.

Der Mann war eine Legende. Es gibt nichts, was nicht bereits über ihn gesagt oder geschrieben worden wäre. Notfalls empfehle ich den Griff zur Autobiografie "White Line Fever", da steht alles drin. Darüber, wie er in jungen Jahren ein Stück von England abgebrochen hat. Auch über die Zeit als Roadie für Jimi Hendrix, den Bassunterricht für Sid Vicious, den Rauswurf bei Hawkwind und den ganzen Kram, den er sich eimerweise in Kehle und Nase geschüttet hat.

Geahnt haben wir alle es schon lange. Abgesagte und abgebrochene Konzerte. Die Sache mit der Pumpe. Die sorgenvollen Gesichter von Phil und Mikkey. Und die Fotos, auf denen er immer dünner wurde. Die 70 an Heiligabend hat er noch geschafft, dann forderten sein Herz, Jahrzehnte als Alkoholiker und Kettenraucher, aber vor allem eine bislang unentdeckte Krebserkrankung ihren Tribut. Hey, die mussten schon einiges auffahren, um den Kerl in die Kiste zu kriegen!

Mach's gut, Lemmy. Wird verdammt leise sein hier unten.