Montag, 26. Februar 2018

Fortsetzung der zweiten kuriosen Geschichte eines lang vergangenen Tages

Ich liebe das Abenteuer. Gestern zum Beispiel hatte ich den perfekten Sonntagabend. Um 22.30 Uhr kam ich vom Spätdienst nach Hause, steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und... nichts passierte. Falls jemandem der Beginn dieser Geschichte bekannt vorkommt, so ist das korrekt. Es passierte schon wieder. Das unfassbar teure, weil unglaublich gute Türschloss, das ich im Oktober einem Schlüsselnotdienstleister abgekauft habe, ist tatsächlich bereits kaputt!

Also rief ich ihn an (iPhone-Akku: 53 Prozent). Leider - so ließ er mich wissen - befinde er sich derzeit im Saarland und könne daher meiner Bitte um einen erneuten Besuch nicht nachkommen. Stattdessen empfahl er mir einen Kollegen in Gladenbach. Rasch suchte ich im Netz nach dessen Nummer (Akku: 41 Prozent) und ließ es klingeln. Der gute Mann wirkte leicht verschlafen (wofür ich Verständnis hatte) und schlug vor, ihm meine Adresse zu simsen (wofür ich kein Verständnis hatte, weil der Akku mittlerweile bei 38 Prozent war). Genuschelt, getan. Die Antwort kam zwar nicht prompt, aber in gebotener Kürze: "bin in 40 min da". 40 Minuten sind für die Strecke Gladenbach - Dreihausen nicht eben sportlich; offenbar hatte ich es nicht mit jemandem zu tun, der Geschwindigkeit für ein wichtiges Element bei der Ausübung seines Berufs hält.

Ich nutzte die Zeit, um festzustellen, dass ich fünf Euro Bargeld dabei hatte und meine Bankkarte im Esszimmer lag. Der große Vorteil am Landleben: Wir sind alle füreinander da. Wenn wir nicht schlafen. Meine Nachbarn schliefen alle. Also fuhr ich einige Straßen weiter, um nachzusehen, welche meiner Verwandten noch wach waren. (Praktisch: Sie wohnen quasi alle in unmittelbarer Nähe zueinander.) Es traf meine Cousine und deren Mann, die ich gewissermaßen auf dem Weg ins Bett abpasste und mit dem Hinweis auf einen (erneuten) Notfall um etwas Bargeld bat. Sie halfen prompt und wie selbstverständlich - ich schulde ihnen nun nicht nur Geld, sondern vor allem Dankbarkeit.

Zurück am Eigenheim stellte ich fest, dass der Schlüsseldienst-Ersatz noch nicht eingetroffen war und der Akku meines Smartphones inzwischen den Geist aufgegeben hatte. Danach war mir selbst auch, als ich frierend in der Einfahrt herumlief, um dem sehnsüchtig erwarteten nächtlichen Gast den Weg zu weisen. Zehn Minuten später als vereinbart hielt er mit quietschenden Reifen und weckte die Nachbarn, indem er mit seinem beeindruckenden Bauch hupte. Zur Begrüßung fragte er mich: "Wieso geht denn die Hupe, wenn der Schlüssel nicht steckt?" Ich antwortete sinngemäß: "Äh..." Dann verwies ich ihn auf mein eigenes Schlüsselproblem und erinnerte damit an den Grund seines Besuchs. Das sauteure, nagelneue, kaputte Schloss ist offenbar wirklich gut, denn es gelang dem Meister nicht, es zu öffnen. Stattdessen hebelte er an der Aluminiumtür herum und verzierte sie mit relativ unansehnlichen Kratzern. Die Lösung unseres Problems kam von mir, dem Laien: "Wir könnten über die Kellertür einbrechen." Ich möchte an dieser Stelle nicht ins Detail gehen, aber das Ganze dauerte erschreckende dreieinhalb Minuten, und der Experte ging das Haustürschloss schließlich von innen an. Es gelang ihm tatsächlich, den Riegel wieder gangbar zu machen, und ähnlich wie sein Vorgänger teilte er sein Fachwissen mit mir: "Waffenöl. Da geht nix drüber. Kost' aber auch."

Apropos Kosten: Sein Stundenlohn plus Anfahrt war glatter Wucher, zumal er ja letztlich nicht viel getan hatte. Nun steht die Anschaffung eines weiteren Schlosses an - ich bin noch nicht ganz sicher, inwieweit sich Schlüsseldienst Nummer eins daran beteiligen wird. Immerhin ist die Tür nun fest verschlossen, und auch der Keller ist inzwischen gesichert (das nur der Vollständigkeit halber).

Auf mich warten derweil neue Abenteuer: Ich werde versuchen, Termine bei verschiedenen Fachärzten auszumachen. Als Kassenpatient. Ich muss komplett verrückt sein.

Samstag, 24. Februar 2018

Im Traum

Mit 17 hat man noch Träume... Verdammt, mit 45 auch! Die Gedanken sind frei, und manchmal fliegen sie in eine Zukunft, die es vermutlich nie geben wird. Oder doch? Oder nicht? Es spielt keine Rolle - das ist ja das Schöne an Träumen.

Menschen, die Träume wahr werden lassen, begeistern mich. Vor allem, wenn es ihnen darum geht, anderen zu helfen. Die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Vier Beispiele:

Meine ehemalige Kollegin Nadine rettet Menschenleben und sorgt dafür, dass Kinder eine Zukunft haben. Sie tut das in Afrika, und zwar in jedem Urlaub (falls man das so nennen kann). Und macht das mit einer Selbstverständlichkeit, die mich so sehr beeindruckt wie ihr Engagement.

Mehr dazu gibt es auf www.help-for-miro.de.

Der Sänger und Songschreiber Andrew Cole wurde als Schüler gemobbt. Sogar verprügelt. Weil sie offenbar gemerkt haben, dass er als künstlerische Seele "anders" ist, haben ihn seine Mitschüler ausgegrenzt. Damit es Kindern und Jugendlichen, die so sind, wie er war, nicht ähnlich ergeht, hat er das Projekt "No Joke" ins Leben gerufen. Dahinter verbergen sich ein Lied, ein Film... und ein Treffen der Stars, denn das Opfer von früher ist nicht länger allein.

Wer mehr erfahren will, sollte sich nojokefilm.com anschauen.

Einer meiner liebsten Musiker ist gleichzeitig einer meiner liebsten Blogger. Meist schreibt Johnny Haeusler (Plan B) auf seinem eigenen Blog Spreeblick, aber einer seiner lesenswertesten Texte ist hier erschienen. Auszug: "Ich kann machen. Nicht alles. Nicht wahllos. Aber sobald ich etwas tun will, sobald mich eine Leidenschaft für ein Thema oder Vorhaben gepackt hat, lege ich los. Ich setze Ideen in die Tat um. Egal ob ich mich schon gut damit auskenne oder nicht, egal ob mir Menschen davon abraten, egal wie die Chancen auf Erfolg stehen. Und in den meisten Fällen klappt es auch. Nicht unbedingt und vor allem nicht ausschließlich weil ich es kann. Sondern weil ich es will."

Ich hab's nicht so mit Vorbildern, aber lest bitte den kompletten Text - dann versteht ihr, weshalb der Gedanke dahinter zumindest ein Leitbild sein kann.

Aus Bob Geldofs Autobiografie mit dem falsch übersetzten deutschen Titel "So war's" zitiere ich ungefähr wöchentlich. Der Mann hat ebenfalls einfach gemacht - nämlich mal kurz das größte Rockfestival aller Zeiten organisiert und damit viel für die so genannte Dritte Welt und unser Bild davon getan. Kauft das Buch, gerne in der Übersetzung und meinetwegen sogar hier.

Und ich? Was mache ich?

Das Übliche (hier habe ich es mal skizziert). Und träumen, weil das ein Anfang sein kann.

Mein Traum sieht ungefähr so aus: Ich lebe mit vielen Freunden auf einem riesigen Öko-Bauernhof, den wir gemeinsam betreiben. Der Landwirtschaftsbetrieb dient der Selbstversorgung, denn unser Business ist ein anderes: Wir betreiben ein Musik-Label, einen Buchverlag und einen Shop für Nerd-Kram. Unser Ziel ist, den Menschen, die unsere Songs hören, unsere Texte lesen und unsere nutzlosen, aber sinnvollen Kleinigkeiten mit nach Hause nehmen, ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Sie sollen sich gut fühlen. Und vor allem sollen sie das Bedürfnis haben, anderen Leuten ebenfalls Gutes zu tun. So dass "das Gute" sich wie ein Virus verbreitet und irgendwann den Planeten erobert. Um ihn zu retten. Wir wollen motivieren, stärken, da sein.

Diesen Traum habe ich schon sehr lange. Aber in den vergangenen Tagen habe ich wieder etwas häufiger geträumt. Denn auf einmal geht der viel beschworene Ruck durch die Republik, vielleicht die Welt, auf jeden Fall durchs Netz.
 Und natürlich:



Frei nach ...But Alive: Vielleicht hatte Martin Luther King doch irgendwo Recht.

Freitag, 9. Februar 2018

Wie "Mein Dogma (V)" zum Geschwätz von gestern wurde

Da hat der Mann mit den Haaren im Gesicht ganz schön daneben gelangt. Lässt sich mit seiner Freundin beim Planschen im Pool ablichten, während die Bundeswehr in Mazedonien einrückt... Moment - was soll Schulz gemacht haben? Nicht Schulz. Scharping. 2002.

Da hat der Mann mit den Haaren im Gesicht ganz schön daneben gelangt. Lässt sich mit den Linken beim Planschen im Zauberbad erwischen, während die restliche Republik noch die Mauertoten betrauert... Moment - das war doch auch nicht Schulz, oder? Nein, war er nicht. Platzeck. 2009.

Knapp ein Jahrzehnt später gibt der Mann mit den Haaren im Gesicht wirklich alles, um dieser sozialdemokratischen Tradition treu zu bleiben. Ja, diesmal ist Schulz gemeint. Und nein, mehr an Wortspielen und Albernheiten gibt's zu ihm an dieser Stelle nicht. Die stecken mir nämlich im Hals, und mit Schluckbeschwerden ist nicht gut kalauern.

Daher ernsthaft: Was zur Hölle ist denn da los? Wie kann eine Partei, der immerhin 20,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme gegeben haben, es wagen, ein derart kindisches Verhalten an den Tag zu legen? Und mit welchem Ziel tut sie das?

So lässt sich in der Tat ganz gut zusammenfassen, was in den vergangenen Wochen an sozialdemokratischer Politik passiert ist, wenn es darum ging, eine Bundesregierung zu schaffen. Ja, nein, vielleicht, Geschwätz von gestern, Geschachere von heute, Gefahr für morgen... Wenn man bedenkt, dass ich eines jener Mitglieder bin, die demnächst aufgefordert werden, ihre Meinung zu jenem fragilen Konstrukt abzugeben, das da als Endprodukt zäher Koalitionsverhandlungen zitternd am Abgrund steht, bin ich ganz schön ratlos.

Was ich will? Keine Ahnung.

Mir gefiel der Gedanke einer sozialdemokratischen Opposition. In dieser Ecke hätte die SPD die Chance gehabt, Wunden verheilen zu lassen, in den Blecheimer zu spucken und mit frischem Zahnschutz in die nächsten vier Runden zu springen. Sogar den Meistertitel sah ich in Reichweite, wenn sie zäh und willensstark geblieben wäre. Und sich vor allem auf ihre Wurzeln besonnen hätte.

Andererseits erkenne selbst ich als GroKo-Gegner durchaus deren Vorteil. Denn so absurd es klingt: Etwas vom Grundsatz derart Demokratiefeindliches ist vielleicht die einzige Waffe gegen die wahren Feinde der Demokratie. Die sitzen nämlich - daran ändern die Grabenkämpfe der Genossen nichts - definitiv im Bundestag. Gewählt von zwölf Prozent, was nicht nur im Vergleich zu den erwähnten 20,5 zuviel ist, um noch ruhig schlafen zu können.

Ich weiß immerhin, was ich nicht will. Ich will keine SPD, die sich selbst demontiert. Denn dass sie darin wirklich gut ist, beweist sie seit Jahrzehnten und gewinnt dabei zunehmen an Geschwindigkeit. Ich will keine Parteispitze, die aus verbrannten Greisen besteht statt jungen Wilden eine Chance zu bieten, dem Wort Erneuerung seine ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben.

Und vor allem will ich niemanden dort oben sehen, der sich in wenigen Wochen derart häufig selbst widerspricht - ach was: als Lügner erweist - wie Martin Schulz.

Seit Ende 2016 bin ich Mitglied der SPD. Mal schauen, wie lange noch. Sollte ich die Partei verlassen und mich jemand nach den Gründen dafür fragen, kenne ich meine Antwort schon jetzt: Der Mann mit den Haaren im Gesicht hat daneben gelangt.