Mittwoch, 29. Juli 2020

Beim Service

Interessante Woche, irgendwie. Unter anderem habe ich mit PayPal telefoniert (also quasi mit dem Yeti auf dem Elefantenfriedhof das Bernsteinzimmer gefunden) und wurde interviewt (was beim ersten Mal furchtbar war, aber dank eines technischen Problems glücklicherweise wiederholt werden musste). Und eben habe ich mit dem kompletten Support-Team eines großen Online-Versandhandels gechattet. Das ging so (Originalabschrift, meine Kommentare in eckigen Klammern):

Ich: Hallo. Ist der mp3-Einkaufswagen nicht mehr verfügbar? Wo finde ich die Titel, die ich dort hineingelegt habe?

Sie sind nun mit Zivko Filipovic von XXXX.de verbunden.

[Zivko. Natürlich. Die Pseudonyme erfindet offenbar ein Zufallsgenerator.]

Zivko Filipovic: Einen schönen guten Tag Herr Engelhardt,

Herzlich willkommen bei XXXX Digital.

Gerne werde ich das für Sie nachschauen. Geben Sie mir eine Minute Zeit, bitte.

Ich: Vielen Dank.

Zivko Filipovic: Der MP3-Einkaufswagen ist nur über die Musik-Downloads zugänglich. Er wird nicht angezeigt, solange Sie sich in einem anderen Bereich auf XXXX.de befinden.

Um zu den Musik-Downloads zu gelangen, wählen Sie "XXXX Music" unter "Alle Kategorien" auf der XXXX.de-Startseite aus oder gehen Sie auf den unten stehenden Link:

XXXX

Das Symbol für den MP3-Einkaufswagen zeigt sich in der oberen rechten Ecke Ihres Bildschirms, sobald Sie sich auf einer MP3-Produktdetailseite befinden, sowie auf einigen Stöber- und Sucheseiten der Musik-Downloads. Um Zugriff auf Ihren MP3-Einkaufswagen zu haben und diesen verwalten zu können, müssen Sie auf Ihrem XXXX.de-Benutzerkonto angemeldet sein.

[Ach so. Und wie bindet man sich nochmal die Schuhe?]

Ich: Das ist mir alles bewusst. Aber wenn Sie selbst diesen Link ausprobieren, stellen Sie fest, dass es den mp3-Einkaufswagen oben rechts nicht mehr gibt...

Zivko Filipovic: Ein Moment bitte

[Einen. Einen Moment.]

Sie sollten neben dem "Kaufen"-Button können Sie mehrere Alben und Songs aus den Musik-Downloads kaufen, indem Sie Artikel zum MP3-Einkaufswagen hinzufügen und anschließend auf "Weiter" klicken.

[Ernsthaft?]

Ich: Nein, diese Option gibt es nicht mehr. Genau wie den mp3-Einkaufswagen. Man kann nur noch sofort kaufen.

Zivko Filipovic: Nutzen Sie XXXX Music oder XXXX Shopping App?

Ich: Ich nutze die XXXX-Website auf dem PC.

Zivko Filipovic: Ein Moment

[Einen.]

Gerne helfe ich Ihnen hier weiter und werde Ihre Anfrage direkt an unsere Spezialisten weiterleiten. Bitte schließen Sie das Chatfenster nicht – sie werden sofort mit einem Kollegen verbunden. Bitte geben Sie dem Kollegen einen Augenblick Zeit, um sich in den Vorgang einzulesen. Vielen Dank!

Ich: Danke sehr.

Ein Mitarbeiter des Kundenservice wird sich sofort bei Ihnen melden.

Sie sind nun mit Murat von XXXX.de verbunden.

[Murat und Zivko kennen sich von ihrem eigentlichen Job als Türsteher.]

Murat: Hallo und herzlich willkommen bei XXXX.de. Mein Name ist Murat Celik.

[Falsch.]

Ich: Hallo.

Murat: Darf ich Sie einen Moment um Geduld bitten?

Gerne informiere ich mich für Sie, damit ich Ihnen eine verlässliche Auskunft geben kann.

Ich: Klar, vielen Dank.

Ein Mitarbeiter des Kundenservice wird sich sofort bei Ihnen melden.

[Prima. Was genau war jetzt eigentlich Murats Aufgabe?]

Sie sind nun mit Archil von XXXX.de verbunden.

[Ach, kommt schon.]

Archil: Herzlich Willkommen im XXXX Tech-Support Chat, Archil mein Name. Ich werde ihnen gerne weiterhelfen.

Ich: Hallo. Das klingt gut.

[Mehrere Minuten lang passiert nichts.]

Soll ich das Problem nochmal schildern..?

Archil: Nein .Sie können es mit andere Internetbrowser versuchen

[Ja, das kann ich. Aber ich behaupte lieber...]

Ich: Ich habe es bereits mit Chrome und Firefox versucht. Auch im Browser des Fire-Tablets zeigt die Website den mp3-Einkaufswagen nicht mehr an.

Archil: Ich recherchiere gerne gleich für Sie im System, einen kleinen Moment, bitte.

[Na also - einen. Sag ich doch.]

Ich: Danke.

Archil: wie ich verstanden habe Sie möchten Songs Kaufen richtig?

[Archil ist das Hirn der Gruppe.]

Ich: Ja. Vor allem aber möchte ich sie vorher in den Einkaufswagen legen. Und ich möchte die Songs sehen, die ich dort bereits reingelegt habe.

Archil: wie ich recherchiert habe wen Sie mp3 Music kaufen möchten Sie können es entwider direkt kaufen oder XXXX Music Abonnement erwerben.

[Das Wort Recherche wird mitunter willkürlich verwendet.]

Ich: Das ist klar. Aber bislang konnte man sie in den mp3-Einkaufswagen legen. In den ich bereits einige Songs gelegt habe. Meine Frage also: Wo finde ich ihn jetzt? Gibt es ihn nicht mehr? Und wie komme ich an die Liste der Musik, die dort bereits drinliegt?

Archil: Ich werde Sie weiterleiten .kleinen Moment bitte

Ich: Sicher. Danke.

Ein Mitarbeiter des Kundenservice wird sich sofort bei Ihnen melden.

Sie sind nun mit Emili von XXXX.de verbunden.

Ein Mitarbeiter des Kundenservice wird sich sofort bei Ihnen melden.

[Hä? Wo ist Emili? Ist ist er das Weichei im Team?]

Sie sind nun mit David von XXXX.de verbunden.

David: Guten Tag. Ein Moment Bitte.

[Einen. Das hatte Archil aber besser drauf.]

Ich: Hallo. Gerne.

David: Ich sehe den MP3 Warenkorb nicht sichtbar, wenn ich die Webseite überprüfe.

Werde mich bei meiner technischen Abteilung verifizieren müssen, ob es entfernt wurde

[Genau. Verifiziere dich. Kann nie schaden.]

Ich: Prima, vielen Dank. Das Thema wird bereits im Userforum diskutiert.

David: Ich werde Ihnen mitteilen, was die Techniker sagen per Email, wenn das akzeptabel ist.

Ich: Ja, sicher. Danke dafür.

[Unangenehme Pause. Ob Emili gerade reingekommen ist?]

David: Ich werde die E-Mail in Kürze senden.

Bitte schließen Sie das Chatfenster, und ich werde die Techniker kontaktieren.

Ich: Alles klar. Tschüß und Gruß an die Kollegen.

Montag, 20. Juli 2020

Heute

Heute würde es passieren. Oder besser: Er würde es tun. Viel zu lange hatte er es vor sich hergeschoben. Hatte darüber nachgedacht. Das Für und Wider abgewägt (eigentlich eher das Wider). Und sich darin verloren, über etwas nachzugrübeln statt endlich damit anzufangen. Währenddessen waren außerhalb seines rotierenden Verstandes die Jahreszeiten vorbeigezogen. Die Wochen. Monate. Jahre. Aber heute war es soweit. Er war fest entschlossen. Mit dieser Entschlossenheit stieß er die Haustür auf. Eilte die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Setzte sich an den Schreibtisch und startete den Computer. Dann begann er zu tippen. Die ersten Worte flossen ganz leicht aus seinem Kopf in die Tastatur: "Heute würde es passieren."

Samstag, 11. Juli 2020

Am Abend

Eigentlich kann ich Menschen ganz gut einschätzen. Nach knapp acht Jahren Spätdienst in der Tanke vom alten Schmitt hab ich schon so ziemlich alles und jeden gesehen. Als neulich dieser Typ reinkam, war mir also sofort klar: Der bedeutet Ärger.

Drei Kunden betraten so ziemlich gleichzeitig die Tankstelle, um zu bezahlen. Das übliche Publikum an einem Dienstagabend. Ein etwas nervöser älterer Mann im grauen Anzug, der seinen ebenfalls älteren BMW vollgetankt hatte. Eine junge Frau in teurer Jeans und mit Smartphone am Ohr, die vergessen hatte, ihren Vorglüh-Drink im Supermarkt zu besorgen. Und dieser Kerl, der zwar seine Harley betankt hatte, aber garantiert noch ein Sixpack mitnehmen würde. Und hoffentlich Geld dabei hatte. Bulliger Hüne, Zottelbart, Lederklamotten, Zahnstocher im Mundwinkel. Ich hasse Stress am Abend.

Die Telefonfrau schritt wie erwartet die Spirituosen ab. Der Biker stapfte mit grimmiger Miene zum Kühlschrank. Und der Krawatten-Opa stand mit flackerndem Blick vor mir. Griff in seine Jackentasche. Und zog eine Pistole heraus. Hatte ich erwähnt, dass ich Ärger hasse? "Das ist ein Überfall", brüllte er mit zitternder Stimme. Als wäre mir das nicht bereits aufgefallen. Dann richtete er mit ebenfalls zitternder Hand seine Waffe auf mich. "Die Kasse! Mach schon!" Der alte Schmitt kann sich immer auf mich verlassen, aber ich lasse mich nicht für ein paar Kröten erschießen.

Also ließ ich die Kasse aufspringen und griff hinein. Die junge Frau hatte inzwischen angefangen, hysterisch zu schreien. Dabei fielen ihr das iPhone und eine Flasche aus der Hand, die mir sicher später vom Lohn abgezogen werden würde. Der Biker nahm einen Sechserpack Billigbier aus dem Eisschrank und kam ganz ruhig auf den betagten Räuber und mich zu. Er zog einen zerknüllten Fünfziger aus der Tasche, legte ihn auf die Theke und sagte: "Stimmt so."

Der Opa starrte ihn irritiert an. "Spinnst du? Das ist ein Überfall", wiederholte er. "Schon klar", antwortete der Motorrad-Typ, betrachtete kurz das kühle Sixpack und zog es dem Alten mit einem kräftigen Schwung über den Schädel. Der Opa ging zu Boden, die junge Frau hörte vor Überraschung auf zu kreischen, und ich starrte dem Biker nach, als er zum Ausgang schlenderte. Eigentlich kann ich Menschen ganz gut einschätzen.