Der Gitarrist bearbeitete eine abgeschrammelte E-Klampfe voller Bandsticker, hielt sie dabei im Arm wie seine Freundin, um sie im nächsten Moment fast auf den Boden fallen zu lassen. Mit ekstatischen Schrittfolgen stakste er vor der stetig wachsenden Gruppe von Zuhörern auf und ab, die aus erschöpften Touristen und neugierigen Londonern bestand. Unter ihnen waren zwei kurze Hessen, seit Tagen fast pleite, völlig übernächtigt und verschwitzt.
Unser "Youth Hostel" hatte sich als verschimmelte Absteige entpuppt, die bei hochsommerlichen Temperaturen nur kochend heißes Wasser bot, womit sich zumindest die Kakerlaken und Spinnen im Bad vertreiben ließen. Unser Geld hatten wir bereits an den ersten Tagen für T-Shirts und Platten ausgegeben. Also trieben wir uns tagsüber in der Stadt herum und saßen nachts in Pubs oder Live-Clubs, die ähnlich heimelig waren wie unsere Unterkunft. Oder am Piccadilly Circus.

Ab und zu, wenn ich Straßenmusikern zuhöre oder - seltener - was Bluesiges auflege, denke ich noch an jene Nacht in London. Ist 'ne Weile her, die beiden kurzen Hessen sind groß geworden, machen Fotos und schreiben Texte. Und die beiden Musiker sitzen heute bestimmt in einem langweiligen Büro und haben langweilige Bürojobs. Irgendwie tröstlich.