Donnerstag, 19. März 2020

In Quarantäne

"Das kann nicht sein", sagte Schmidt. Hinter der Schutzbrille waren seine Augen weit aufgerissen, als er auf den großen Monitor starrte. "Du meinst: Das darf nicht sein", korrigierte Müller. Er kratzte sich die zerzausten Haare unter der Stoffhaube. "Und damit hast du leider Recht." Schmidt ließ sich in seinen Bürostuhl fallen. "Was machen wir jetzt?"

Sieben Jahre lang hatten sie an dem Computerprogramm gearbeitet, das ihnen bei der Lösung des größten Problems helfen sollte, mit dem die Menschheit sich je konfrontiert sah. Vor acht Jahren waren die ersten Fälle bekannt geworden. Anfangs haben wir noch Witze darüber gemacht, dachte Schmidt. Hamster und Klopapier. Sehr lustig. Er grinste schief, als er daran dachte, wie die Welt sich seitdem verändert hatte. Als die Zahl der Toten dramatisch anstieg, hatten die Menschen erkannt, dass sie zusammenarbeiten mussten. Zunächst hatte das bedeutet: Ausgangssperre, häusliche Quarantäne. In ihren geschützten Bunkern hatten sie dabei zugesehen, wie der Planet wieder grün wurde. Wo früher Kinder gespielt hatten, tobten nun junge Wölfe umher. Wo Hochhäuser in den Himmel geragt hatten, wuchsen dichte Wälder auf den Ruinen. Die Luft war so klar wie die Meere. Das Virus hatte eine Mauer zwischen der Erde und ihren ach so intelligenten Bewohnern gezogen. Der zweite Schritt war die Arbeit an einem Programm, das Antworten liefern sollte. Ein riesiger Rechner war mit dem geballten Wissen der klügsten Köpfe gefüttert worden. Sieben Jahre später, nachdem die Menschen sich fast an die künstlich erschaffene Nahrung, an die gefilterte Luft und an den Gedanken daran gewöhnt hatten, mangels körperlicher Nähe die letzte Generation ihrer Spezies zu sein, war es endlich soweit. Das Programm lief und gab ihnen eine Antwort auf all ihre Fragen.

"Ich weiß es nicht", unterbrach Müller die Gedanken seines Kollegen. Er blickte ihn durch die leicht beschlagene Glasscheibe an, die die beiden trennte, seit sie sich kannten. "Was schlägst du vor?" Schmidt stand auf. "Sie müssen es erfahren", sagte er mit fester Stimme. "Wir haben geschworen, für die Wahrheit einzutreten." Müller nickte. "Auch wenn sie weh tut." Beide sahen zu dem großen Monitor. In leuchtend grünen Buchstaben stand dort: "Virus: Human. Help: COVID-19. Program active."