Freitag, 31. Januar 2025

Wort zum Wochenende

Zweimal. Zweimal hatte ich in den vergangenen zehn Jahren eine unangenehme Situation, die auf das Verhalten von Menschen zurückzuführen war, die ich auf den ersten Blick als Geflüchtete aus Nordafrika identifizieren würde. (Womit ich übrigens natürlich komplett danebenliegen kann. Sie könnten aus anderen Ländern stammen oder nicht den Flüchtlingsstatus haben. Letztlich im Wortsinn ein Vorurteil.)

Einmal fühlte ich mich milde bedroht, war also nicht in einer tatsächlich gefährlichen Lage, aber auf eine mögliche physische Konfrontation vorbereitet, die notfalls zu meinen Gunsten ausgegangen wäre. Und einmal habe ich eine Freundin zum Auto begleitet, weil eine Gruppe relativ aggressiv und laut auftrat. Passiert ist in beiden Fällen nichts.

Viermal. Viermal bin ich in meinem Leben in eine körperliche Auseinandersetzung mit mir unbekannten Menschen geraten, die ich als "typische" Deutsche identifizieren würde. Da war der ältere Mitschüler, der mich in der ersten Klasse verprügelt hat und mit dem ich später sogar befreundet war. Da war der bullige Typ aus der miesen Gegend, der eine Bemerkung von mir falsch verstanden hatte und mich beim Warten auf den Schulbus an die Wand gedrückt und geohrfeigt hat. Da waren die beiden Türsteher der Dorfdisco, die mich im Alter von 16 Jahren zusammengeschlagen haben, weil ich ein öffentliches Telefon benutzen wollte und sie bei ihren Drogengeschäften gestört habe. Und da war der betrunkene Punk am Flussufer, der mich abends überfallen wollte und das bereut hat. 

Keine Ahnung, wie repräsentativ das ist. Ob ich durchschnittlich oft in sowas verwickelt war. Ich bin froh, nie einen lieben Menschen durch eine Gewalttat verloren zu haben. Und ich kann glücklicherweise nicht beurteilen, was das unter Umständen mit einem macht.

Ich bin der Meinung, dass das Asylrecht eben genau das ist: ein Recht. Das man verwirken kann, wenn man vehement genug signalisiert, kein Interesse daran zu haben, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Daher finde ich durchaus, dass Straftäter mit entsprechendem Status wieder ausreisen müssen. Das erscheint mir so selbstverständlich, wie es selbstverständlich ist, dass alle Menschen, die in Not sind, hier eine Zuflucht finden, um in Frieden leben zu können.

Nun wird zum wiederholten Mal darüber diskutiert, ob die Grenzen dichter gemacht und die Ausweisungen von Straftätern forciert werden sollen. Aber diesmal unter anderen Vorzeichen: Diesmal ist das das einzige Thema, das gepriesene Wundermittel in einem Wahlkampf, in dem es um die Zukunft unserer Demokratie geht. Und es ist das einzige Thema einer Partei, die diese Demokratie vernichten will. (Andere Themen, die übrigens gleichfalls Menschenleben betreffen, spielen keine Rolle. Flutopfer sorgen nicht für eine Verschärfung der Umweltgesetze.)

Ich weiß nicht, ob parlamentarische Anträge schlechter werden, wenn geifernde Faschisten, die ins Plenum gewählt wurden, sie unterstützen. Auf jeden Fall fühlt es sich falsch an. Ich weiß nicht, was nach der Wahl noch gilt und was überhaupt umgesetzt werden kann. Ich weiß nicht mal, wen ich in einem Monat in den Bundestag wähle. Ich weiß nur, wen nicht. Noch eine Selbstverständlichkeit.
Es sind wilde, traurige, komplizierte Zeiten. Die irgendwann vorübergehen werden. Und danach möchte ich in Teil einer Gesellschaft sein, die es allen Menschen ermöglicht, nach ihrem freien Willen zu leben, wenn sie niemanden gefährden.

Nie hätte ich gedacht, dass das mal ein ungewöhnlicher Wunsch sein könnte. Ist er nicht auch selbstverständlich?

Das war mein Wort zum Wochenende. Rasch getippt links von der Mitte, in der zweiten Lebenshälfte, irgendwo in einem Land mit relativ stabiler Wirtschaft und einer verantwortungsvollen Geschichte. Alerta, alerta, antifascista. Das ist definitiv selbstverständlich.