Donnerstag, 10. August 2023

Auf der Wache

Manchmal ist mein Leben wie eine Folge "Pastewka". In der Nacht zu Sonntag ist mir ein Waschbär unters Auto gelaufen. Ich habe gebremst, aber er hatte keine Chance, dazu war der Abstand wirklich zu kurz. Mir hat das natürlich furchtbar leidgetan (ausgerechnet ein Waschbär). Als ich nachgeschaut habe, war das Tier nirgends zu sehen.

Gestern (also drei Tage später) fuhr ich zu einem Termin nach Gladenbach und vorher tanken. Als ich vom Bezahlen kam, sah ich, dass der Kühler meines Autos eingedrückt ist und das vordere Kfz-Kennzeichen fehlt. Das ist mir tatsächlich mehrere Tage lang nicht aufgefallen (erklärt aber, weshalb die Kinder, die am Montag an unserem Zeitungsprojekt teilgenommen haben, mich so anstarrten, als ich an ihnen vorbeifuhr - vermutlich erschreckten sie am meisten die grauen Haare in der Delle).

Vor meinem Meeting rief ich die Polizei an, um zu erfahren, was jetzt zu tun ist. Theoretisch könnte ja jemand mit meinem Nummernschild durch die Gegend fahren und Banken ausrauben. Der Beamte war freundlich und auskunftsfreudig. Ich solle einfach irgendwann vorstellig werden, die Wache sei 24 Stunden besetzt. Man werde speziell nach Tierhaaren schauen, um meine Story zu bestätigen.

Also fuhr ich nach dem Termin zur Polizeistation, parkte trotz geöffneter Schranke davor und las mir erstmal die ungezählten Hinweise an der Pforte durch. Auf einem Schild stand, man solle klingeln. Ich klingelte. Auf einem weiteren Schild stand, man solle auf keinen Fall klingeln. Ich erstarrte. Ein drittes Schild wies an, man solle die Zentrale anrufen. Gut, dass ich ein Telefon dabeihatte. Was machen Bürger, die keines besitzen? Laut rufen?

Ein Polizist meldete sich, hörte sich die Vorgeschichte an und fragte dann: "Und was soll ich jetzt machen?" "Naja", antwortete ich, "vermutlich wäre es zur Aufnahme des Unfalls sinnvoll, wenn jemand von Ihnen rauskommt oder mich jemand reinlässt." "Ich öffne die Tür." Dem Summen und dem automatischen Öffnen der inneren Tür nach tat er das tatsächlich. Allerdings nur diese. Die äußere blieb verschlossen.

Ein junger Mann, der bereits etwas weiter vorgedrungen war und im Inneren wartete, öffnete mir (vermutlich verbotenerweise) die äußere Tür. Ich betrat das Allerheiligste und fragte ihn, ob er wisse, wie es nun weitergeht. Wusste er nicht. Zaghaft klopfte ich an die Glastür der Wache. Keine Reaktion. Also wählte ich noch einmal die Nummer der Zentrale und erklärte dem Beamten von vorhin, dass ein anderer Bürger mich reingelassen habe und ich gerne wüsste, was ich nun tun solle. "Ich sehe, dass Sie im Gebäude sind", sagte er. "Und wir sind hier auf der Arbeit, nicht auf der Flucht."

Eine halbe Stunde später kam ein Polizist von der anderen Seite des Gebäudes in den Wartebereich und holte den jungen Mann ab. Mich fragte er, wohin ich denn wolle. Ich berichtete, dass ein Kollege von ihm mich darüber informiert habe, nicht auf der Flucht zu sein, und ich nun offenbar warten solle. "Klopfen Sie doch mal an die Scheibe", riet er, aber das erschien mir inzwischen zu riskant. Offenbar war sein Kollege nicht nur nicht auf der Flucht und wusste nicht, wie die äußere Tür aufgeht, sondern hatte auch schlechte Laune. Und ich keine Lust, die Nacht in U-Haft zu verbringen.

Einige Minuten später tauchte eine sehr nette und freundliche Beamtin auf und sagte, ihr Kollege habe sie bereits informiert. Das Problem sei natürlich, dass der Unfall in Köln passiert sei und man daher zunächst mal die Zuständigkeiten klären müsse. "Da kann ich helfen", beruhigte ich sie. "Der Unfall ist nämlich gar nicht in Köln passiert, ich habe das auch nie gesagt und weiß nicht mal, welches Wort offenbar falsch verstanden wurde."

Um es kurz zu machen: Sie nahm den Unfall auf (was nur für die Versicherung und die Zulassungsstelle relevant ist), mein aktuelles Kennzeichen ist gesperrt (was wichtig ist, falls mich eine Streife anhält). Und ich vereinbare nun online einen Termin bei der Zulassungsstelle und suche mir ein neues Wunschkennzeichen aus. Vielleicht MR-WB in Andenken an den Waschbären. Oder irgendwas mit Köln.