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Der Boss in Düsseldorf. (c) Markus Engelhardt |
Da mussten wir beide erst grau werden, bis wir uns endlich mal treffen, Bruce Springsteen und ich.
Ein drei Stunden langer Ritt durch 50 Jahre auf der Bühne, die dem Mann ein Zuhause ist. Song folgt auf Song, Hit auf Lieblingslied, ohne Pause, nur getrennt durch das klassische "One, two, three, four". Den Dialog mit dem Publikum gibt’s in intimeren, ruhigeren Passagen, wenn Springsteen allein im Licht steht und an "On Broadway" erinnert.
Zwischendurch lotet er die Grenzen des Stadionrock aus. Er darf das, immerhin hat er ihn erfunden. Es gibt Reminiszenzen an Blues und Gospel, an Jazz und Soul. "Nightshift" überrascht in der makellosen Setlist, hätte selbst Lionel Richie zu Tränen gerührt und zeigt, dass Springsteen das Coveralbum besser mit der E Street Band eingespielt hätte.
Die Gang ist vollzählig, nur Patti fehlt (Soozie Tyrell übernimmt ihre Parts), zudem sind die E Street Horns, der komplette Backing-Chor sowie Curtis King und Anthony Almonte dabei. Jeder bekommt seinen Moment. Max Weinberg ist Rückgrat und Uhrwerk, holt aus seinem winzigen Kit, wozu andere eine Schlagzeug-Burg brauchen. Der dünne Garry Talent gibt den Ruhepol der rollenden Rockmaschine, die über Jahrzehnte zur perfekten Einheit geschmiedet wurde.
Roy Bittan und Charles Giordano setzen die Eckpunkte, improvisieren unauffällig, sind zwei stille Profis im Hintergrund. Jake Clemons senkt das Durchschnittsalter auf der Bühne und versucht gar nicht erst, seinen Onkel zu imitieren, weil er weiß, dass der Big Man einmalig war. Stattdessen punktet er mit eigenen Akzenten und ist längst ein etablierter Teil der Truppe. Wenn du mit Springsteen spielst, gehörst du zur E Street Band, zur Familie.
Nils Lofgren ist anderthalb Meter pure Musik, ordnet sich als Sidekick dem großen Ganzen unter und zeigt mit einem mehrminütigen Solo quasi sämtlichen Gitarristen, wie man sowas macht. Und immer an der Seite des Meisters natürlich der unverwüstliche Mann in Schwarz: Auch am Jüngsten Tag wird Little Steven neben seinem Freund stehen. Bei 30 Grad Außentemperatur trägt Mr. Van Zandt zunächst einen Federhut, um ihn vor dem Publikum zu ziehen, und das unvermeidliche Piratenkopftuch. Lässig schießt er seine Riffs aus der Hüfte, bleibt der Liebling der Fans und bekommt immer wieder Szenenapplaus.
Und Springsteen selbst? Der ist stimmlich in Topform, physisch in beneidenswert guter Verfassung. Dirigiert das kleinste Orchester der Welt, greift erfreulich oft zur Mundharmonika und spielt erstaunlich oft Soli. Aber vor allem strahlt dieser 73 Jahre alte Mann eine Lebensfreude aus, von der wir alle lernen können. Er lebt den Moment, liebt sein Publikum, mit dem er auf Tuchfühlung geht, ist ehrlich dankbar für die Energie, die es ihm zurückgibt. Er ist ein Erzähler, ein Entertainer, sorgt für Gänsehaut und Freudentränen. Spricht viel von Alter und Tod und feiert zu jeder Sekunde das Leben.
Sie nennen ihn den Boss. Und das völlig zurecht.