Freitag, 30. Juni 2023

Auf dem Spielplatz

"Mit wem spricht Benny denn da?", fragte Karl, als wir den Jungs auf dem Spielplatz zuschauten. Mein Sohn saß etwas abseits, offensichtlich allein, plapperte aber vor sich hin. Er sah zufrieden aus. "Keine Ahnung", antwortete ich. "Ich glaube, er hat einen imaginären Freund."

"Macht dir das keine Sorgen?", fragte Karl. Benny lachte und beschrieb etwas mit den Händen. "Überhaupt nicht", antwortete ich. "Ich hatte früher viele imaginäre Freunde. Sie haben mich beschützt und getröstet, wenn ich einsam war."

"Ob sein Freund irgendwann verschwindet?", fragte Karl. "Vermutlich", antwortete ich und blickte auf die leere Stelle neben mir auf der Bank. "Aber wenn nicht, ist auch das in Ordnung."

Donnerstag, 22. Juni 2023

Als ich den Boss traf

Der Boss in Düsseldorf. (c) Markus Engelhardt

Da mussten wir beide erst grau werden, bis wir uns endlich mal treffen, Bruce Springsteen und ich.

Ein drei Stunden langer Ritt durch 50 Jahre auf der Bühne, die dem Mann ein Zuhause ist. Song folgt auf Song, Hit auf Lieblingslied, ohne Pause, nur getrennt durch das klassische "One, two, three, four". Den Dialog mit dem Publikum gibt’s in intimeren, ruhigeren Passagen, wenn Springsteen allein im Licht steht und an "On Broadway" erinnert.

Zwischendurch lotet er die Grenzen des Stadionrock aus. Er darf das, immerhin hat er ihn erfunden. Es gibt Reminiszenzen an Blues und Gospel, an Jazz und Soul. "Nightshift" überrascht in der makellosen Setlist, hätte selbst Lionel Richie zu Tränen gerührt und zeigt, dass Springsteen das Coveralbum besser mit der E Street Band eingespielt hätte.

Die Gang ist vollzählig, nur Patti fehlt (Soozie Tyrell übernimmt ihre Parts), zudem sind die E Street Horns, der komplette Backing-Chor sowie Curtis King und Anthony Almonte dabei. Jeder bekommt seinen Moment. Max Weinberg ist Rückgrat und Uhrwerk, holt aus seinem winzigen Kit, wozu andere eine Schlagzeug-Burg brauchen. Der dünne Garry Talent gibt den Ruhepol der rollenden Rockmaschine, die über Jahrzehnte zur perfekten Einheit geschmiedet wurde.

Roy Bittan und Charles Giordano setzen die Eckpunkte, improvisieren unauffällig, sind zwei stille Profis im Hintergrund. Jake Clemons senkt das Durchschnittsalter auf der Bühne und versucht gar nicht erst, seinen Onkel zu imitieren, weil er weiß, dass der Big Man einmalig war. Stattdessen punktet er mit eigenen Akzenten und ist längst ein etablierter Teil der Truppe. Wenn du mit Springsteen spielst, gehörst du zur E Street Band, zur Familie.

Nils Lofgren ist anderthalb Meter pure Musik, ordnet sich als Sidekick dem großen Ganzen unter und zeigt mit einem mehrminütigen Solo quasi sämtlichen Gitarristen, wie man sowas macht. Und immer an der Seite des Meisters natürlich der unverwüstliche Mann in Schwarz: Auch am Jüngsten Tag wird Little Steven neben seinem Freund stehen. Bei 30 Grad Außentemperatur trägt Mr. Van Zandt zunächst einen Federhut, um ihn vor dem Publikum zu ziehen, und das unvermeidliche Piratenkopftuch. Lässig schießt er seine Riffs aus der Hüfte, bleibt der Liebling der Fans und bekommt immer wieder Szenenapplaus.

Und Springsteen selbst? Der ist stimmlich in Topform, physisch in beneidenswert guter Verfassung. Dirigiert das kleinste Orchester der Welt, greift erfreulich oft zur Mundharmonika und spielt erstaunlich oft Soli. Aber vor allem strahlt dieser 73 Jahre alte Mann eine Lebensfreude aus, von der wir alle lernen können. Er lebt den Moment, liebt sein Publikum, mit dem er auf Tuchfühlung geht, ist ehrlich dankbar für die Energie, die es ihm zurückgibt. Er ist ein Erzähler, ein Entertainer, sorgt für Gänsehaut und Freudentränen. Spricht viel von Alter und Tod und feiert zu jeder Sekunde das Leben.

Sie nennen ihn den Boss. Und das völlig zurecht.


Freitag, 2. Juni 2023

Im Kleiderschrank

Irgendwie faszinieren mich gerade diese Videokanäle, in denen Leute zeigen, was sie warum an diesem Tag tragen. (Nicht Wassermelonen, sondern Klamotten.) Bei mir würde das etwa so ablaufen:

"Hallo, Freunde, schön, dass ihr wieder mit dabei seid. Heute ist es recht warm, also tragen wir unsere schwarze Jeans, weil die nicht in der Wäsche ist und praktischerweise hier überm Stuhl hängt. Dazu ein Band-Shirt - ich empfehle das, das ganz oben auf dem Stapel im Kleiderschrank liegt, in diesem Fall zeigt es das Logo von Rise Against. Darüber - es ist ja Sommer - ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln, weil mir komplett am Arsch vorbeigeht, dass viele das für uncool halten. Heute Abend geht's in den Biergarten, also legen wir uns den schwarzen Hoodie ins Auto. Sicherheit geht vor, liebe Freunde. Als Uhr wählen wir heute wie an jedem verdammten Tag die im iPhone, das kommt einfach lässig in die Hosentasche. Wir tragen die gleichen Schuhe wie immer, wenn es nicht regnet, natürlich auch in Schwarz. Und als Duft - es wird einige überraschen, dass ich mir darüber tatsächlich ab und zu Gedanken mache - nehmen wir heute "bruno banani Made for Men", das riecht nach Frühling oder Sommer. Keine Sonnenbrille, denn dann können wir nicht Auto fahren, weil die eigentliche Brille nicht auch noch Platz auf der Nase findet. Und dann ist es auch schon fertig, unser Sommer-Outfit. Ich wünsche euch einen wunderschönen Tag, bis morgen, ihr Lieben."