Zugegeben: Alles fing an mit "Born In The USA". Letztlich sind wir alle Kinder unserer Zeit, und ich war elf Jahre alt, als Springsteen seine missverstandene Hymne sang. Natürlich war mir egal, dass da jemand die sozialen Probleme und zwischenmenschlichen Abenteuer in seiner Heimat beschrieb. Aber die Musik bewegte mich, und je öfter ich das Album hörte, desto mehr Lieblingslieder entdeckte ich. Das war so spannend wie die Frage, warum sich jemand eine Mütze in die hintere Tasche seiner Jeans knäult.
Über einen Freund lernte ich "The River" erst kennen, dann verstehen und schließlich lieben. "Born To Run" folgte, leichter konsumierbar und in allen Belangen groß und mächtig. Mit "Nebraska" hatte ich mehr zu tun, ehe diese Platte ein Begleiter für mein weiteres Leben wurde.
Dann verloren wir uns aus den Augen, der Boss und ich, denn seine neue Musik klang seltsam mutlos und langweilig, seine Begleitmusiker waren die falschen, und erst "The Ghost Of Tom Joad" versöhnte Bruce mit dem Rest der Welt und auch mit mir. Fortan blieb er, schrieb immer wieder Texte - längst waren mir auch diese wichtig -, die mein Leben zu beschreiben schienen, und Lieder, die mich durch dieses Leben führten.
Seine Version von "Trapped" war da, als niemand sonst da war und ich buchstäblich im Regen stand. In "Dancing In The Dark" geht es um mich, das lasse ich mir nicht ausreden. Und "Nebraska" vertreibt nach wie vor die Stille in der Dunkelheit.
Nun hat der Mann aus New Jersey einen weiteren Helden ins Boot geholt: Tom Morello hat immer noch Wut auf die Maschine und ist sicher ein Bruder im Geiste des wahren "hardest working man in show business". Ihr gemeinsames Werk "High Hopes" ist eine krude Liedersammlung und schon jetzt relativ sicher mein Album des Jahres, wegen Morellos Gitarre und der Stimme des Meisters, der auch nach all den Jahrzehnten noch etwas zu sagen hat.
"Hey, Mann", soll ein Fan ihm nach 9/11 zugerufen haben, "wir brauchen dich jetzt." So geht mir das seit 1984.
Mehr zum Boss. Seine Diskografie.