Ich mag meinen Job. Als Online-Redakteur habe ich die Aufgabe, eine Bresche in den digitalen Dschungel zu schlagen, tatsächlich Licht ins Dunkel zu bringen. Wer sich nicht (mehr) über gedruckte Medien informiert, hat online die Möglichkeit, zu erfahren, was um ihn herum passiert. Und nicht nur dort: Journalismus, der wahre Journalismus verhindert die Bildung von Blasen, er bietet an und fordert heraus statt nur zu bedienen. Auf Papier gibt es ein Streiflicht, geschaffen von erfahrenen Experten. Im Netz ist es eher ein Scheinwerfer, im Idealfall ebenfalls bedient von Menschen, die wissen, was sie da tun, und ihn in die richtige Richtung halten.
Ich fürchte die Zukunft. Denn was ich nun in zwei Absätzen und wohlgewählten Worten skizziert habe, ist ein Idealbild. Und es gehört bestenfalls der Vergangenheit an. Die Redaktionen sind gebeutelt von wirtschaftlichen Verlusten an der Anzeigenfront wie auf dem Lesermarkt. Damit einher geht das klassische Symptom, der zurecht gefürchtete Personalmangel. Immer weniger Redakteure müssen immer mehr Aufgaben bewältigen - denn die Welt außerhalb des Elfenbeinturms dreht sich weiter. Wer vor 30 Jahren noch motiviert in die Schreibmaschine hackte, baut heute gelangweilt bis gestresst am Bildschirm ganze Seiten, kümmert sich um Layout und Gestaltung, um die Bebilderung und immer öfter auch um die Verlängerung der Reichweite ins Netz. Dort sitzt nämlich wenig erwartungsfroh jene Zielgruppe, die es inzwischen zu erreichen gilt: die so genannte Jugend (also jeder unter 60). Denn die altgediente Leserschaft quittiert nach und nach ihren Dienst, geht den Weg alles Irdischen und nimmt dabei das über Generationen vererbte Abo mit. Die Branche jubelt, wenn die Zahl hinter dem Minus mal nicht ganz so groß ist wie befürchtet. Keine andere Branche tut das.
Ich hadere mit der Gegenwart. Statt angesichts des Abgrunds auf die Bremsen zu treten, statt nach neuen Wegen zu suchen oder zumindest nach einer Rettung, rast der Journalismus in der Republik auf einen Abgrund zu, der schon viel zu lange in Sichtweite ist. Themen für neue Leser statt des Dauerbrenners "Rentner schreiben für Rentner"? "Das machen wir schon immer so." Mutige Ideen, tapfer umgesetzt? "Das haben wir noch nie so gemacht." Zwei tödliche Sätze, wo weite Sprünge angesagt wären. Früher, damals, einst... da waren unsere Konkurrenten jene Zeitgenossen, die ebenfalls einen Druckturm besaßen. Heute sind unsere Mitbewerber alle, die ein Smartphone besitzen, die online sind, die bloggen und vloggen und posten und Gruppen gründen und Netzwerke aufbauen. Tempo ist angesagt, ohne dabei das eigentliche Ziel - die Wahrheit - aus den Augen zu verlieren. Begleitend dazu kann man gerne die Online-Inhalte drucken, als Premium-Produkt, das seinen Namen verdient, das neben dem Mohnbrötchen raschelt und Lesestoff ohne Tablet bietet. Mit viel Text und tollen Bildern, während im Netz schnelle Meldungen und ebenso tolle Bilder ihren Teil beitragen. Und die Wahrheit (man kann es nicht oft genug betonen). Wir sind keine Amateure, wir sind die Profis - verlasst euch drauf.
Ich habe Angst, dass mein geliebter Beruf bald Vergangenheit ist. Die Gegner drängen von allen Seiten auf uns ein. Von unten, wo sie glauben, es genau so gut oder besser zu machen. Von rechts, wo sie dunkle Zeiten beschwören und "Lügenpresse" rufen und die Pressefreiheit abschaffen wollen. Von oben, wo sie mit Geld wedeln und ihre Macht missbrauchen, wenn man Hofberichterstattung verweigert. Was tun? Man möchte es brüllen: Seid mutig! Probiert was Neues! Und dann noch was Neueres! Setzt auf Qualität: Bietet gut geschriebene, toll bebilderte, fehlerfreie Artikel. Geht raus und dahin, wo es weh tut, seid der Stachel im Gesäß der Macht, die vierte Gewalt, tragt Verantwortung. Geht aber auch dahin, wo eure Leser sind und jene, die es werden sollen - nicht nur geografisch, sondern vor allem, was die Publikation angeht. "Wir sind da, wo Sie sind", habe ich kürzlich einer Gruppe von Leserinnen und Lesern versprochen. Löst das ein! Ungelernte, überforderte Freie auf Termine zu schicken, die Bürgermeister, Landräte und Vereinsvorsitzende diktieren, um danach mehr schlecht als recht aus furchtbaren Texten kaum lesbare zu machen; sich Beiträge einreichen lassen, sie auf Zeile zu trimmen und inhaltliche wie sprachliche Mängel einzubauen, damit man sie mit seinem Kürzel versehen darf; sich am Bürostuhl und an alten Gewohnheiten festklammern, um nicht verloren zu gehen, wo man doch der Kompass sein sollte... das sind keine Lösungen. Das sind Tritte aufs Gaspedal, und der Abgrund lauert noch immer.
Ich liebe meinen Beruf. Macht ihn nicht kaputt. Sondern lasst ihn uns retten.