Ich verstehe beispielsweise das Konzept des Warentrenners nicht, wenn zwischen den einzelnen Warenstapeln mehrere Meter Abstand herrschen und es also faktisch nichts zu trennen gibt. Aber auch das aggressive Verhalten einiger Kunden kurz vor der Kasse kann ich nicht recht nachvollziehen. Wieviele Minuten Zeitersparnis bringt es ihnen, in der Schlange etwas weiter vorne zu stehen? Und warum zur Hölle haben sie alle Zeit der Welt, sobald sie an der Reihe sind - sprich: es ans Bezahlen geht?
Kürzlich stand ich armes Würstchen mit einem ebensolchen und einem Joghurt in Händen leicht irritiert hinter einer älteren Dame, die mich zuvor mit giftigem Blick und spitzen Ellbogen beiseite gedrängt hatte. Zu ihren Einkäufen - die sie selbstverständlich mit mindestens einem Warentrenner von meinen Waren trennte - gehörte unter anderem eine kleine Packung Schokoherzen. Schlagartig sehr entspannt fragte sie die Kassiererin, ob jene wie im Werbeprospekt versprochen 79 Cent kosteten oder man die ausgepreisten 89 Cent bezahlen müsse. Nicht jeder hat das Geld locker sitzen, das ist mir bewusst. Der Mantel mit Echtpelz am Kragen brachte mich zwar auf den Gedanken, dass die Dame vermutlich keine finanziellen Sorgen habe, aber sei's drum. (Er machte sie übrigens auch nicht sympathischer.) Die Kassiererin gab alles, um den tatsächlichen Wert besagter Herzen herauszufinden. Unter anderem führte sie ein längeres Telefonat mit jemandem namens "Duanne", was man übrigens nicht "Dwayne", sondern "Du, Anne" ausspricht. Sie beendete das Gespräch mit einigen guten Wünschen für ihre Kollegin, aber ohne ein Ergebnis, das zur Beantwortung der Frage der Seniorin beigetragen hätte.
Diese reagiert unwirsch, verzichtete aber sicherheitshalber auf den Kauf der Schokoherzen. Bis Weihnachten ist es ja auch noch ein wenig hin. Als nächstes wurde sie von der Kassiererin darüber aufgeklärt, dass man als Kunde die Plastikkörbe, die im Markt bereitstehen, nicht unentgeltlich mit nach Hause nehmen dürfe. Dies schien sie zu überraschen; augenscheinlich waren ihr die Preisetiketten an den in der Herstellung vergleichsweise günstigen Papiertüten und Stoffbeuteln entgangen. Nun doch leicht erbost bezahlte sie ihre restlichen (also schokoherzlosen) Einkäufe.
Die Summe belief sich auf sechs Euro und achtundneunzig Cent. Selbstverständlich hatte die gute Frau diesen Betrag passend. Allerdings nicht parat, ohnehin musste sie zunächst - sichtlich überrascht vom plötzlichen Bezahlvorgang - ihre Geldbörse suchen. Dieser entnahm sie schließlich die geforderte Summe in möglichst kleinen Geldstücken. Sie tat das sehr sorgfältig und ohne unnötige Hast - mich zur Seite zu schubsen hatte ihr offenbar tatsächlich einen beachtlichen Zeitvorteil verschafft. Vielleicht musste sie auch im Gegensatz zu mir nicht zurück an ihren Arbeitsplatz. Ältere Damen im Pelz gehen ja oft keiner regelmäßigen Tätigkeit mehr nach, um ihr Auskommen zu sichern.
Kurze Zeit darauf - inzwischen hatte auch ich die Wurst und den Joghurt bezahlt - sah ich die wackere Greisin auf dem Parkplatz des Lebensmittelmarktes wieder. Sie schlug gerade die Fahrertür ihres neuen Mercedes gegen die Beifahrertür meines alten Fiat. Aber ich habe ja für vieles Verständnis.