Aber vor ein paar Tagen ist etwas passiert, das mich... nein, nicht wachgerüttelt hat. Das wäre eine Phrase, zu leer und blass und daher unangemessen. Erschreckt hat es mich, ganz einfach. So sehr, dass ich fast einen ganzen Tag lang brauchte, um es zu begreifen. Nach Russland und der Türkei, nach Polen und dem Osten unserer Republik haben auch in den Vereinigten Staaten die Wahlberechtigten mehrheitlich entschieden, einem Demagogen und Populisten zu vertrauen.
Ich weiß schon, dass sie diesmal die Wahl hatten zwischen zwei Übeln. Und ich weiß auch, dass Begriffe wie "konservativ" oder "liberal" immer relativ sind. Vereinfacht ausgedrückt: Die zu Unrecht von manchen als Lichtgestalt bejubelte Hillary würde hierzulande zum rechten Flügel der CDU gehören. Aber Trump hat mit Erfolg den durchgeknallten, frauenfeindlichen Rassisten gegeben, der er wahrscheinlich sogar ist, und damit die Amerikaner überzeugt. Es funktioniert noch immer und offenbar überall auf der Welt: Lüge das Blaue vom Himmel runter, such dir Sündenböcke, hau auf die Kacke - und man jubelt dir zu.
Das Blaue aus der Hölle wird im kommenden Jahr in den Bundestag einziehen. Auch wir sind ein Teil der Welt, die sich nicht plötzlich und unerwartet, aber doch ruckartig rechtsherum dreht. Und damit kehre ich zurück zu mir und dem, was ich für besagte Welt tue: nicht viel. Oder zumindest nicht genug.
Es ist dem restlichen Planeten nämlich herzlich scheißegal, dass ich an der PC-Tastatur oder mit dem iPhone in der Hand mal sowas von sauer bin und meine Follower oder Facebook-Freunde daran teilhaben lasse. Zwei Tage habe ich gebraucht, um mir zu überlegen, was ich also anders machen kann. Vielleicht sogar besser. Und dann fiel es mir ein.
Noch ein kurzer Exkurs: Ich stamme aus einem sozialdemokratischen Haushalt. Mein Vater war in der SPD, solange ich zurückdenken kann. In seinem letzten Lebensjahrzehnt hat er damit durchaus gehadert, hat in der örtlichen Parteizentrale lautstark gefordert, seine Genossen sollten sich gefälligst auf ihre alten Werte besinnen. Ich selbst habe immer von meinem aktiven Wahlrecht Gebrauch gemacht, sobald ich die Möglichkeit dazu hatte. Ein Parteibuch kam mir nicht ins Haus - und das aus zwei Gründen: Zum einen wird es in meinem Berufsstand gar nicht gern gesehen, wenn sich jemand politisch allzu eindeutig positioniert. Man macht sich angreifbar. Zum anderen gibt es ganz einfach keine Partei, der ich zu einhundert Prozent vertraue. Auch das hat mit meinem Job zu tun: Als (Lokal-)Journalist bekommt man einen ganz guten Einblick in die Arbeit von (Lokal-)Politikern. Man kennt die Spielregeln und ist im Idealfall derjenige, der abpfeift, falls jemand dagegen verstößt.
Ganz grundsätzlich geht es mir wie Johnny Haeusler, der in seinem sehr lesenswerten Text zum Thema schreibt: "Ich hasse Kompromisse, stundenlange Debatten, langweilige Meetings. Außerdem wird keine der bestehenden Parteien meine Haltung zum Leben auch nur achtzigprozentig widerspiegeln. Jede Partei hat mal Scheiß gebaut, in jeder Partei sind Leute, mit denen ich gar nicht so gerne am Tisch sitzen möchte."
Trotzdem: In ein paar Tagen bin ich Sozialdemokrat. Ich werde mich für die Belange meines Wohnorts und meiner Gemeinde einsetzen. Kleine Schritte gehen. Viel reden, mal laut, mal leise, mal sachlich, mal aufgeregt, wie man es von mir gewohnt ist. Damit werde ich ganz sicher nicht den irren Donald vom Thron fegen, eventuell verhindere ich nicht mal, dass die blau lackierte Scheiße drittstärkste Kraft im Bundestag wird. Aber ich trage meinen Anteil dazu bei, die Welt zu verbessern, so pathetisch und naiv das auch klingen mag. Und ich habe wieder Hoffnung. Die Hoffnung nämlich, dass andere nachziehen. Damit die Mehrheit zeigt, dass sie die Mehrheit ist. Nicht schweigend, sondern aktiv. Damit nicht mehr die Lauten gewinnen, sondern die Guten.