Samstag, 21. Dezember 2024

Wort zum Sonntag

In der besinnlichen Vorweihnachtszeit - konkreter: diese Woche - habe ich mal wieder etwas dazugelernt. Jeder Mensch hat ja ein gewisses Wertesystem, eigene Grenzen, eventuell auch (wörtlich) Vorurteile, unterschiedliche Erfahrungen und so weiter.

Und obwohl ich schon viele Winter erlebt habe, gibt es ganz offensichtlich noch immer Dinge, die ich in mein System nicht einordnen kann. Für die meine Lebenserfahrung nicht ausreicht, um sie zu begreifen.

Ich habe vor einigen Tagen von einem der unfassbarsten Verbrechen erfahren, von denen ich je gehört habe. Mein Wortschatz reicht nicht aus, um einerseits eine Frau zu ehren, die praktisch ihr komplettes Leben offenbart, um anderen Frauen Mut zu machen. Und andererseits meine Verachtung für Lebewesen auszudrücken, die jenseits von allem sind, wofür ich Abneigung empfinden kann. Die in mir Scham auslösen, derselben Spezies und demselben Geschlecht anzugehören.

Gestern Abend dann geschieht etwas, an das wir uns leider fast gewöhnt haben. Zunächst überrascht, dass der mutmaßliche Täter Arzt ist, sogar Psychiater. Heute dann erfahren wir, dass er nicht wie erwartet Islamist ist, sondern offenbar ein Rechtsextremist mit einem Faible für die größte faschistoide Partei der Republik. Offenbar ist das Leben doch komplexer als die strikte Schwarz-weiß-Aufteilung in sozialen Netzwerken. Offenbar haben wir vergessen, dass es Arschlöcher in allen Farben gibt.

Und dann noch ein Gedanke: Refugees welcome - ganz klar und erstmal ohne Einschränkung. Hunger ist so tödlich wie Krieg, niemand will sterben. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass wir als Gesellschaft und als politische Einheit es nicht hinkriegen, ein Zusammenleben aller Menschen zu gestalten. Und mit "wir" meine ich die Menschheit. Oder anders: Weder will ich in einem rassistischen, von Nazis regierten Land leben noch will ich mich unwohl fühlen, wenn ich abends durch die Straßen gehe. Schutzzäune um Veranstaltungen lösen genau so Beklemmung aus wie Springerstiefel- oder Leerdenker-Demos.

Ich hab's ja nicht so mit Weihnachten. Aber nächste Woche mal drei Tage darüber nachzudenken, was das große Wort Frieden wirklich bedeutet, ist vielleicht eine ganz gute Idee. (Sorry für mein Wort zum Sonntag.)