Donnerstag, 12. März 2015

Herzensangelegenheiten

Eigentlich ist das Frühjahr denkbar ungeeignet, um Abschied zu nehmen. Aber erstens hat das Universum einen allgemein bekannt kranken Humor. Und zweitens ist eine Jahreszeit für Abschiede so gut geeignet wie die andere - nämlich gar nicht.

Es gibt unterschiedliche Gründe, die uns zum Abschiednehmen zwingen, und die allermeisten von ihnen sind naturgemäß unerfreulich. Das gilt insbesondere dann, wenn Abschiede endgültig sind. Unter diesen Gründen nimmt einer eine Sonderstellung ein, übertrifft an kalter Härte selbst seine kleinen Brüder, den Streit und die Veränderung. Die Rede ist selbstverständlich vom Tod. Mir ist niemand persönlich bekannt, der ein allzu großer Anhänger oder gar Befürworter des Todes ist. Im Gegenteil: In unseren Breitengraden pflegen wir ihn im Allgemeinen mit Missachtung zu strafen - eine vergleichsweise harmlose Waffe, denn uns allen ist klar, dass der Tod ein unbesiegbarer Gegner ist. Noch dazu ein sehr gelassener, er kann nämlich warten. Er hat quasi reichlich Zeit, was kein Wunder ist, denn er nimmt sie von uns allen. Die Zeit, noch schnell zu erledigen, was wir viel zu lange vor uns hergeschoben haben. Die Zeit, endlich das Richtige zu tun, worauf wir ein Leben lang gewartet haben. Die Zeit, die wir mit schönen Dingen und netten Leuten verbringen sollten und doch auf ganz andere Art vergeuden.

In den Romanen von Terry Pratchett (der in diesen Tagen gestorben ist) wird der Tod als klassischer Sensenmann karikiert, allerdings oft genug gebeutelt von fachfremden Emotionen und den Problemen seines sicher stressigen Alltags. Und Schauspieler Leonard Nimoy (der kurz zuvor das Zeitliche segnete) sagte in seiner bekanntesten Rolle gern und häufig: "Lebe lang und in Frieden." Ein wohlmeinender Wunsch, vielleicht gar ein frommer, aber wie die meisten Wünsche dem Mann mit der Kapuze vermutlich nicht einmal ein schiefes Grinsen wert. Denn über die Dauer unseres Daseins entscheidet nur  er. Oder (um es endlich mal etwas realistischer auszudrücken): Wir haben kaum Einfluss darauf.

Manchem gelingt es zwar, sein Leben künstlich zu verlängern. Andere entscheiden sich traurigerweise, es zu verkürzen. Aber am Ende bleibt immer ein Abschied, für jene, die zurückbleiben, meist schmerzlicher als für den, der geht.

Wer inzwischen völlig zurecht fragt, was das alles mit Musik zu tun hat, der sei auf ein paar Zeilen zweier Liedtexte aufmerksam gemacht. "No one wins, but somehow they still play", heißt es in "Future Days" von Pearl Jam. "All the missing crooked hearts, they may die, but in us they live on." Deutlich pessimistischer sehen das Fury In The Slaughterhouse: "Today you're their best friend, but believe me tomorrow they don't even know your name." Ganz so ohne sind Todes kleine Brüder nämlich doch nicht.

Wer nun verständlicherweise nicht nur nach dem Zusammenhang zum Thema Musik, sondern gar nach einer Moral fragt, dem sei ins Poesiealbum gekritzelt: Die Zeit läuft - macht was draus. Am besten übrigens wirklich mit schönen Dingen und netten Leuten. Es ist Frühjahr, Freunde. Aber nicht mehr lange.