"Der Rock'n'Roll endet hier", hatte der Rolling Stone seinerzeit getitelt, als die Band um Jochen Distelmeyer ihren völlig unverdienten Durchbruch schaffte. Und der große Bernd Begemann empfahl: "Fühl dich nicht ständig betroffen, Jochen." Beides half nichts. Von allen Seiten kamen sie und erzählten mir, wie kaum fassbar gut Blumfeld doch seien, und auf dem Schulhof sah ich mich plötzlich zufallssolidarisiert mit einem eher prolligen Metal-Drummer, der sich den Namen der Band nicht merken konnte oder wollte und sie immer "Blumenfeld" nannte.
Ich war ohnehin kein besonders großer Anhänger der Hamburger Schule, mochte aber, wie Die Sterne groovten, und war davon überzeugt, dass Tocotronic ihre Texte für mich geschrieben hatten. Aber Blumfeld? Distelmeyer drückte schon durch seinen verkniffenen Gesichtsausdruck aus, dass er einen ominösen "Anspruch" hatte, er sich mehr als dichtenden Deichgrafen verstand, der auf das Geschehen unter ihm mit der gleichen Verachtung herabsah wie ein Oberstufen-Musterschüler auf die naiven Neulinge auf der anderen Seite des Flurs. Dort allerdings war ich zu Hause, obwohl kaum noch naiv und nicht mehr neu in der Welt der Musik. Und ich schützte mich vor der Welle der Begeisterung, die das Blumfeld-Debüt "Ich-Maschine" unter den euphorisierten Mitläufern in meinem Bekanntenkreis entfachte, mit Ignoranz.

Ich weiß natürlich, dass nichts davon tatsächlich zu den selbstgesteckten Zielen von Dichter Jochen und seinen Gefolgsleuten gehörte. Aber zu meinen - damals und manchmal noch heute. Und das bringt uns zur Gegenwart: Im Spätsommer touren Blumfeld wieder durch die Republik. Das mag manchen freuen - obwohl: Denkt wirklich jemand verzückt daran, wie toll es einst war, Texte nicht zu kapieren und von Musik nicht gepackt zu werden? Mich jedenfalls freut es nicht, heute wie damals ist mir die literarisch bewegte Band egal, aber immerhin nicht mehr egal genug, um zu schweigen.
Ich wünsche Jochen Distelmeyer alles Gute, politisch steht er ja auf der richtigen Seite des Flurs. Meinetwegen darf seine Konzertreise auch zum Triumphzug werden, sollen seine an die Münchener Freiheit erinnernden Spätwerke auch ruhig nochmal in die Charts einziehen. Ich bleibe bei meiner Meinung: Der soll doch ein Buch schreiben! Hm. Vielleicht haben wir ja doch was gemeinsam...