Donnerstag, 31. Oktober 2024

Happy Halloween

"Aber... ich hatte doch keine Brille auf." So lautete die Reaktion eines 51-jährigen Mannes, nachdem die Polizei ihn verhaftet hatte. "So etwas habe ich noch nie gesehen", gibt der Polizeisprecher zu Protokoll. Dem Vernehmen nach habe der Beschuldigte in der Dunkelheit eine große Gruppe verkleideter Kinder für echte Zombies gehalten.

Er sei eher still und pflege wenig Kontakt zu seinen Nachbarn. lassen diese wissen. Auf die Frage, ob es sich bei dem Mann um einen typischen freundlichen Dorfbewohner handele, der stets höflich grüße, antwortet einer von ihnen: "Höflich auf jeden Fall. Freundlich ist ja immer Ansichtssache."

Für ihn stelle sich nun die Frage, wer für die Straßenreinigung verantwortlich sei. "Wir wussten nicht mal, dass er überhaupt Gartengeräte besitzt", sagt der Nachbar - ein Geistlicher im Ruhestand - über die Tat. Der Beschuldigte habe häufig T-Shirts mit unchristlichen Bildern und Symbolen getragen und sei stets in schwarzer Kleidung zu sehen gewesen.

Auch der Bürgermeister sieht sich am Tatort um. "Ich dachte, hier wird gefeiert", sagt der Rathauschef im spontanen Interview. "Naja, zumindest hat die Gemeinde nun genug Kita-Plätze."

Freitag, 25. Oktober 2024

Pianomann

Es ist Samstagnacht, die Woche vorbei

So langsam wird es hier voll

Wie der alte Mann, der schon seit halb drei

Neben mir sitzt und vor Alkohol

Er sagt: "Kleiner, kennst du dieses Lied?

Hab's schon ewig nicht mehr gehört

Es ist traurig und so schön, dass man niederkniet

Spiel's für mich, wenn's dich nicht stört"

La, la-la, di-dee-da

La-la, di-dee-da, da-dum

Spiel uns ein Lied, du Mann am Klavier

Spiel uns ein Lied heut Nacht

Wir sind alle allein, darum sind wir hier

Das Leben hat uns so gemacht

Karl an der Bar ist ein Freund von mir

Er schenkt mir immer mal ein

Er hat Sprüche drauf, trinkt selber gern Bier

Doch auch er fühlt sich allein

Er sagt: "Kumpel, demnächst ist es soweit

Dann laufe ich einfach davon

Und werde berühmt, denn dann kommt meine Zeit

Ja, darauf freu ich mich schon"

Oh, la, la-la, di-dee-da

La-la, di-dee-da, da-dum

Dort hinten sitzt Paul, der schreibt schon seit Jahren

An seinem ersten Roman

Und er quatscht grad mit Udo, seinem einzig wahren

Freund, der kommt auch nicht voran

Und die Kellnerin spricht von Politik

Und der Manager wird langsam breit

Ja, bei allen hier trübt sich schon der Blick

Das ist besser als die Einsamkeit

Spiel uns ein Lied, du Mann am Klavier

Spiel uns ein Lied heut Nacht

Wir sind alle allein, darum sind wir hier

Das Leben hat uns so gemacht

Freitag, 18. Oktober 2024

Kennste, kennste?

Beim (unabsichtlichen) Studium der Kommentare auf Facebook erscheint mir eine Haltung besonders interessant: Es gibt Männer (ganz sicher als Mann gelesene Personen), die ein großes Problem damit haben, dass es Frauen (als Frau gelesene Personen) gibt.

Dafür sollte man natürlich Verständnis haben. Ist ja auch ganz schön kompliziert und anstrengend, wenn man nur ein sehr kleines Gehirn besitzt und daher außerstande ist, die Welt zu verstehen. Da erscheint einem bestimmt alles bedrohlich.

Ich stelle mir dann immer vor, was geschieht, wenn diese Typen versehentlich mal auf eine Frau treffen. Die Gefahr, dass das passiert, ist nicht zu unterschätzen: Vermutlich gut die Hälfte der Menschheit besteht aus Frauen oder als Frau gelesenen Personen. Das macht den Alltag zum Spießrutenlauf.

Gut, den Verkauf von Backwaren lassen die Jungs sicher noch durchgehen. Dieses Thema fällt immerhin im weitesten Sinne in den Bereich der Lebensmittelherstellung und gehört somit zu den Tätigkeiten, die sie selbst Frauen zutrauen.

Aber was, wenn auf dem Amt, gar in der Kfz-Werkstatt oder - nicht auszudenken - beim Arzt eine Frau für ihre Belange zuständig ist? Am Ende sogar noch eine, deren Aussehen und/oder Nachname impliziert, dass ihre Vorfahren eventuell nicht in Deutschland zur Welt gekommen sind? Ich habe eine Hoffnung...

Dann fahren die Schwachköpfe nämlich wenigstens nicht auf öffentlichen Straßen herum, kommen aber wegen Steuerhinterziehung in den Knast oder landen in der Klinik. In jedem Fall haben sie Ärger und vermutlich keine Zeit für Facebook.

Mir als altem, weißen Hetero-Cis-Mann tun sie damit einen großen Gefallen.

Sonntag, 13. Oktober 2024

Im Wohnzimmer

Zum ersten Mal bei ihr zu Hause. Schicke Wohnung. Dass sie Musik liebt, wusste er ja schon. Immer spannend, die Plattensammlung anderer Leute zu durchforsten. Ihr Hund ist etwas lästig. Er schiebt ihn zum wiederholten Mal mit dem Bein weg, ohne ihn anzusehen. Das Schnüffeln nervt ihn. Feuchter Atem am Oberschenkel. Ganz schön groß, das Vieh.

"So, ein ganz normaler Kaffee, wie gewünscht", sagt sie und lacht, als sie ins Wohnzimmer kommt und hinter sich die Tür schließt. Sie stellt das Tablett ab und er setzt sich neben sie auf die Couch. "Und was machen wir jetzt?", fragt sie. "Einen Film gucken?" "Das wäre eine Möglichkeit", antwortet er. Immerhin ist der nervige Hund weg.

Langsam neigen sich ihre Köpfe zueinander. Beide schließen die Augen. Plötzlich ein Scharren an der Wohnzimmertür. In der Nähe der Klinke. Wirklich ein Riesenvieh, denkt er. Ein Knurren ist zu hören. "Tja, ich glaube, dein Hund will rein."

Sie erstarrt und blickt entsetzt auf die geschlossene Tür, hinter der nun ein lautes Kratzen zu hören ist. Langsam bewegt sich die Klinke nach unten und sie öffnet sich quietschend einen Spalt. Feuchter Atem ist zu riechen. Ihre nächsten Worte wird er nie wieder vergessen.

"Ich habe keinen Hund."

Dienstag, 1. Oktober 2024

Das Alter

Ich bin so alt, dass das Baby, dessen Foto eine besoffene Rocksängerin hochgehalten hat, gerade Mutter geworden ist.

Ich bin so alt, dass der Vater dieses Kindes der Sohn des Mannes ist, den ich aus Videospielen kenne.

Ich bin so alt, zu meiner Zeit war Puff Daddy ein Künstlername ohne realen Hintergrund.

Ich bin so alt, dass mein Celebrity Crush inzwischen alternde Mütter spielt.

Ich bin so alt, in meiner Jugend konnte Godzilla zwar nicht rennen, aber dafür war sein Feuerstrahl auch nicht pink.

Ich bin so alt, dass ich noch weiß, was das für ein komisches Quadrat ist, mit dem "speichern" symbolisiert wird.

Ich bin so alt, dass ich noch Elektronik-Abteilungen in Kaufhäusern besucht habe.

Ich bin so alt, dass meine Lehrer recht hatten, wenn sie sagten, wir hätten nicht immer einen Taschenrechner dabei.