Die Welt trauert um Whitney Houston. Sowas
schreibt man, wenn ein Promi das Zeitliche gesegnet hat. Ich bin
ziemlich sicher, dass die Welt andere Sorgen hat oder zumindest haben
sollte als einen weiteren toten Popstar. Trotzdem fällt mir auf, dass
der Tod von Frau Houston mich etwas mehr betroffen gemacht hat als der
von Frau Winehouse. Und ich frage mich, woran das wohl liegt. Auf jeden
Fall mache ich ausnahmsweise mal mit: Hier ist sie, meine persönliche
Whitney-Houston-Geschichte.
Zunächst mal habe ich jedoch
die Pflicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass "das ja nicht meine
Musik ist". Ganz wichtig. Fast noch wichtiger als die
Standardeinleitung, wenn wir Hetero-Männer nach unserer Meinung zum
Aussehen eines anderen Mannes gefragt werden. Dann sagen wir nämlich als
erstes: "Ich kann das ja nicht so beurteilen." Also: Stromgitarre ist
lieb, Pop ist blöd. Soweit meine offizielle Meinungsäußerung, nach
Rücksprache mit meinem Anwalt und Vertretern der Gewerkschaft. Daher
habe ich natürlich stets desinteressiert bis verächtlich auf jene
Geschmacksverirrten geblickt, denen solche Dogmen offenbar egal oder -
schlimmer noch - gar nicht bewusst sind.
Die Bezeichnung
"Superstar" traf auf Whitney Houston bis etwa 1992 zu wie auf keinen
jener Menschen, die diesen Ehrentitel heute tragen. Das spricht unter
anderem für einen gewissen kommerziellen Erfolg und eine damit
einhergehende Medienpräsenz. Oder anders: Ich kenne vermutlich jeden von
Whitney Houstons Hits und könnte in geeigneter Stimmung die Refrains
relativ textsicher mitsingen.
Mitte der 80er wurde Whitney
groß, ich war damals noch klein und starrte vergleichsweise beeindruckt
auf ein Plattencover, das ein junger Mann unterm Arm hielt, der im
gleichen Bus stand wie ich. Und wir reden hier über Vinyl, über große,
schwarze Scheiben - das nur, falls sich jemand fragt, wie eine CD oder
ein Download wohl als Gepäck für die Busfahrt in der Achselhöhle
drapiert werden. Eine junge Frau in einem Badeanzug war darauf zu sehen,
sehr hübsch, viel zu stark geschminkt und mit nassem Haar. Heute weiß
ich, dass Frau Houston zehn Jahre älter war als ich - seinerzeit dürfte
sie also 22 gewesen sein. Ich fragte mich, welche Art Musik von
freundlich lächelnden Badenixen gemacht wird.
Der junge
Mann, hinter dessen Ellbogen die Frau mit den nassen Haaren
hervorlächelte, trug eine schwarze Lederjacke und jede Menge Gel im
Haar. Mit war bewusst, dass er nichts gemein hatte mit den beiden
Kerlen, die sich die Augen geschminkt und auf ihre Jeanswesten
ungezählte Bilder von Teufeln und Skeletten genäht hatten und die ganz
hinten im Bus saßen. Er sah auch nicht aus wie die sehr aufgetakelten
und mit schief sitzenden Mützen versehenen Mädels, die vorne beim Fahrer
saßen. Diese hörten - so viel hatte ich aus der Bravo gelernt - Spandau Ballet oder Duran Duran. Ich hörte gern die Musik der 70er, weil
meine sehr viel älteren Brüder das taten, und beides war in den 80ern
und in meiner Kleinstadt unfassbar uncool. Ich mochte auch Depeche Mode,
die ich gerade entdeckt hatte. Die hatten zwar so gar nichts zu tun mit "Smoke On The Water", aber auf dem Ghettoblaster oder per Walkman, wenn
ich mit meinen Kumpels unterwegs war, spielte das keine Rolle.
Ich
merkte mir den Namen Whitney Houston, wie ich mir einige Monate zuvor
"Michael Jackson" gemerkt hatte (den ich allerdings deutsch aussprach,
also wie Michael Schanze). Als ich das nächste Mal im Plattenladen
stand, hörte ich mir jedenfalls zwei Alben an, einfach aus Neugier.
Macht das heute noch jemand? Um es kurz zu machen: Ich mochte "Beat It"
lieber.
Einige Jahre später, eine andere Kleinstadt, unser
Held war etwas älter und vor allem in Sachen Musik deutlich besser
informiert. Frau Houston hatte ihren größten Hit, in den Charts und im
Kino, nämlich den Soundtrack zu ihrem Film "Bodyguard": "I Will Always Love You". In den nächsten Wochen werden wir dieses Lied hören müssen,
bis wir kotzen. Aber ich habe es damals gesagt, und ich sage es heute
noch: Damit hat sich Whitney Houston unsterblich gemacht. Mir - und
inzwischen kenne ich mich mit Musik durchaus ein bisschen aus - ist
keine andere Sängerin bekannt, die stimmlich zu derartigen
Höchstleistungen in der Lage war oder ist. Rein technisch, aber auch
emotional.
Ihr lest hier nichts über Bobby Brown, über
Drogen oder misslungene Comeback-Versuche. Das war einfach nur meine
persönliche Whitney-Houston-Geschichte. Aber eigentlich ist das ja nicht
meine Musik.